schnittplatz
: Mund zu!

Zum 10. Jahrestag der Deutschen Einheit beschäftigte sich diese Woche auch die Medienseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der „Presse im Osten“. Beziehungsweise: was von ihr übrig blieb.

Man nähert sich der komplexen Materie mit der gebührenden Empörung über fragwürdige Entscheidungen der Treuhand-Anstalt, (zu Recht: die hatte schließlich vor allem das Quasimonopol der auflagenstarken ehemaligen SED-Bezirkspresse ins neue Deutschland hinübergerettet und damit einzelne westdeutsche Großverleger begünstigt), beklagt den Verlust an Vielfalt – und übt sich im Gedächnisschwund: „Seltsamerweise“, wundert sich der Beitrag von Siegfrid Stadler, gingen damals „auch die kleinen Blätter von CDU, LDPD und NDPD weg.“ Gegen die marktbeherrschende Stellung der gewendeten SED-Titel seien sie aber chancenlos gewesen: „Binnen zwei Jahren war der Markt bereinigt“, zieht das Blatt der klugen Köpfe nüchtern sein Fazit – als hätte es mit alledem nichts zu tun. Und wie es das hatte!

Schließlich waren die Blätter der Ost-CDU bis auf eine Ausnahme komplett an die FAZ gegangen. Im FAZ-eigenen Deutschen Zeitungsverlag erschienen neben der überregionalen Neuen Zeit mit Sitz in Berlin anfänglich noch eine Handvoll regionaler Tageszeitungen von Thüringen bis Mecklenburg, die in der Tat mangels Erfolg kurzerhand bis Ende 1991 eingestellt waren.

Und schon damals war sich die FAZ zu fein, das einzugestehen: Offiziell gingen die Titel wie Der Neue Weg (Halle) und das Thüringer Tageblatt (Weimar) in der Neuen Zeit auf. Eine spärliche Vereinigung, allerdings: Beim Thüringer Tageblatt beispielsweise überlebte in erster Linie der Chefredakteur, der fortan als Thüringen-Korrespondent der Berliner Redaktion geführt wurde.

Mit dieser auf blassblauem Papier gedruckten Besonderheit war dann im Sommer 1994 Schluss: „Trotz guter Leistungen der Redaktion wurde die Zeitung von der FAZ kalt abgeschaltet – und zwar so kurz vor Redaktionsschluss, dass ein Abgang in Würde gar nicht möglich war. Als die FAZ vor drei Jahren das Thüringer Tageblatt in Weimar einstellte, blieb der Redaktion noch Zeit für einige böse-kritische Zeilen. Den Redakteuren der Neuen Zeit hat man zuletzt den Mund zugehalten“, hieß es damals in der taz.

Alles schon vergessen? stg