: Das Prinzip Tante Emma
Viele Internetverkäufer haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht: 80 Prozent derTransaktionen im Netz werden vorzeitig abgebrochen. Der Kunde will gebunden werden
Das E-Business boomt, dabei ist das Potenzial des Internethandels bei weitem nicht ausgeschöpft. „Beinahe 80 Prozent aller Transaktionen im Netz werden vorzeitg, also vor Abschluss eines Vertrages, abgebrochen.“ Zu diesem Schluss kommt die Berliner Multimedia-Agentur Aperto. Lediglich 20 Prozent der Online-Shopper drücken auf den entscheidenden „Buy-Button“.
Für Thomas Gey, Marketingprofessor an der Nordakademie Elmshorn, kein Wunder. „Wer immer die virtuellen Einkaufsplattformen gestaltet hat, der scheint im Fach Werbepsychologie geschlafen zu haben“, lautet sein Fazit. Über hundert Anbieter aus verschiedenen Branchen hat er zusammen mit sechs Studenten unter die werbepsychologiche Lupe genommen. Grundlage für die Beurteilung waren die Stufen, die nach Expertenmeinung zur Kaufentscheidung führen:
1. Aufmerksamkeit erregen durch sinnliche Ansprache. 2. Botschaft inhaltlich und formal richtig aufbereiten. 3. Glaubwürdigkeit schaffen. 4. User mit Verkaufsförderung zum „Deal“ animieren.
Unter Fachleuten wird dieses Bewertungsschema AIDA (Attention, Interest, Desire, Action) genannt. Kritikpunkte fanden die Wissenschaftler in allen vier Bereichen. Schwer lesbare Schriften, schlecht ausgewählte Farben, miese Präsentation der Produkte. Dabei könnten die Fehler durch ein paar einfache Tricks behoben werden. Durch intensive Farben, überdimensionale Abbildungen und auffallende Jingles werden intensive physische Reize auf die Betrachter ausgeübt und diese an die Homepage gefesselt. Werden dann noch Sonderangebote angekündigt, bleibt der Kunde mit Sicherheit auf der Website. Wichtige Akquisitionsinstrumente sind Sonderangebote sowie kurze und garantierte Lieferzeiten.
Im nächsten Schritt sollten die Anbieter eine Vertrauensbasis zu den zukünftigen Kunden aufbauen. Die Geld-zurück-Garantie gibt oftmals den Ausschlag zur Kaufentscheidung. Doch die Anbieter sollten sich mit der Kaufentscheidung allein nicht zufrieden geben. Es gilt, den Kunden auch in Zukunft an das Onlineunternehmen zu binden.
Nach Meinung der Elmsholmer Wissenschaftler zeigen Aktualisierungshinweise dem User, dass sich der regelmäßige Besuch der Webpage lohnt. Diese Maßnahme reicht den Fachleuten von Aperto nicht weit genug. Sie empfehlen den Onlineanbietern, zur Kundenbindung das Customer Relationship Management (CRM) einzusetzen. Dahinter verbirgt sich ein Denkmodell, das die Beziehung eines Unternehmens zu seinen Kunden ganzheitlich betrachtet, oder einfach gesagt: das Prinzip des Tante-Emma-Ladens. Dort kannte man die Vorlieben der Kunden genau, fragte nach, wie die Ware war, und gab Empfehlungen für den Einkauf.
Da man beim E-Commerce die Kunden jedoch nicht persönlich kennen lernt, müssen die Anbieter eine Reihe von IT-Werkzeugen, wie Datamining, Personalisierungssoftware, Call-Center oder Internetforen einsetzen, um die Bedürfnisse der Kunden zu erforschen und den Service zu verbessern. Mittels dieser Instrumente kann jedem Kunden ein individuelles Kundenprofil zugeordnet und dadurch ein Service ermöglicht werden, der den Interneteinkauf von der normalen Einkaufstour durch die Kaufhäuser deutlich positiv unterscheidet.
Erfahrene Firmen wie der virtuelle Buchhändler Amazon stimmen bei einem wiederholten Besuch ihrer Website ihr Angebot auf die Kundenpräferenzen ab. Die Mühe der richtigen Präsentation lohnt. Marktforscher von Forit Internet Business Research haben errechnet, dass zurzeit 7 Millionen Käufer pro Kopf durchschnittlich 1.200 Mark in Online-Shops ausgeben, doppelt so viel wie im Jahr 1999. Ob die Kundentreue wie bei den Kaufhausketten in Zukunft mit Bonuspunkten belohnt wird, ist fraglich. Im Moment geht der Trend noch zu Gewinnspielen.
KARIN HAHN
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