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„Dresden ist schon angekommen“

Auf den Slogan „Leipzig kommt“ haben die Dresdner eine Antwort. Über den Wettlauf der sächsischen Metropolen

BERLIN taz ■ Leipzig ist neidisch. Ausgerechnet in Dresden wurden zehn Jahre Einheit gefeiert. Dabei habe man an der friedlichen Revolution den weit größeren Anteil. Am 9. Oktober 1989 sei man trotz drohender Waffengewalt um den Leipziger Innenstadtring marschiert. Und die größten Demonstrationen der Wende-Zeit fanden in Leipzig statt. Nicht in Dresden.

Über die Revolution in Dresden haben die Zeitungen nach der Wende nicht viel geschrieben. Vielleicht, weil die Dramatik der Ereignisse dort schnell kühler Sachlichkeit gewichen ist. Als am Leipziger Ring noch Scharfschützen aufzogen, trafen sich an der Elbe Opposition und SED bereits zum Dialog. Dresden hatte in der Revolution die Nase vorn.

Heute nennt sich die sächsische Landeshauptstadt stolz das „Silicon Valley“ des Ostens. Erst baute Siemens eine Chipfabrik, dann investierte AMD in ein neues Werk. Aus dem Siemens-Ableger in Dresden wurde Infineon, und die neue Aktiengesellschaft ist so gewachsen, dass nun wieder erweitert wird. Dresden ist stolz auf den Technikboom.

Alle Elektronikfirmen zusammen beschäftigen heute 18.000 Menschen. Die Kehrseite der Wende: Laut Arbeitsamt haben fast 500.000 Dresdner nach der Wiedervereinigung ihren Job verloren. Statistisch gesehen war also jeder Erwerbstätige ein- bis zweimal arbeitslos. Viele Frauen fühlen sich heute wieder an Heim und Herd zurück versetzt.

Stolz sind die Dresdner auch auf ihre Architektur. Die Stadt, die im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört wurde, investiert Millionen um ihre barocken Gebäude zu sanieren. Ab 2004 wird die Kuppel der Dresdner Frauenkirche wieder die Silhouette der Stadt beherrschen. Das Dresdner Stadtschloss ist weitgehend aufgebaut.

Auf den Slogan „Leipzig kommt“ haben die Dresdner eine einfache Antwort: „Wir sind schon da.“ In den Boulevardzeitungen beider Städte gehört es seit der Wiedervereinigung zum guten Ton, der jeweils anderen Metropole die Spitzenstellung im sächsischen Städtewettstreit abzusprechen. Aber eigentlich lassen sich beide Städte nicht vergleichen. Leipzig ist bis heute Handelsstadt geblieben. Dresden setzt auf Technologie und profitiert vom Regierungssitz.

Wer in beiden Städten aus dem Zug steigt, würde beim Anblick des Hauptbahnhofs in Leipzig sofort die Messestadt bevorzugen. Vielleicht sind die Messestädter ganz umsonst neidisch auf Dresden.

I. SEIFERT / R. GEISSLER

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