: Die Deutsche Bank als Spekulantin
An der brasilianischen Finanzkrise 1999 verdienten ausländische Banken zehn Milliarden Dollar. Einer Studie des Südwind-Instituts zufolge deutet alles darauf hin, dass es mit der Abwertung der brasilianischen Währung Insidergeschäfte gegeben hat
von KATHARINA KOUFEN
Anfang Januar 1999 drehte die asiatische Finanzkrise nach Brasilien. Als der Sturm vorbei war, hatten die einen, ausländische Banken wie Citibank oder Deutsche Bank, 10 Milliarden brasilianische Real oder umgerechnet rund 10 Milliarden Mark mehr auf ihren Konten. Den anderen, der brasilianischen Regierung und brasilianischen Finanzinstituten, fehlte diese Summe. Das rechnet die Studie „Deutsche Großbanken – entwicklungspolitisch in der Kreide?“ vor, die das Siegburger Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene gestern veröffentlichte.
Deutsche Banken sind die größten Kreditgeber in den Entwicklungsländern, schreibt die Autorin Karin Siegmann. Sie liehen diesen Ländern 1999 mehr als sechs Milliarden Mark – das ist fast so viel wie das Budget des Entwicklungsministeriums. Zusammen haben die Banken aus den Industrieländern zwischen 1990 und 1998 fast eineinhalb Billionen US-Dollar in Entwicklungsländer transferiert: teils durch Kredite, teils durch Finanzanlagen.
Attraktiv, zitiert die Studie einen Vermögensverwalter, seien vor allem Finanzanlagen in Schwellenländern. Solche Papiere vermittelt etwa die Deutsche Bank: „Wenn der brasilianische Staat Geld braucht, platzieren wir Staatsanleihen bei unseren Kunden überall in der Welt“, so Banksprecher Ronald Weichert gegenüber der taz. In Ländern wie Brasilien, die Kapital brauchen und gleichzeitig als riskante Anlageplätze gelten, sind die Renditen hoch – eben wegen des Risikos. Doch im Krisenfall ist bis jetzt immer noch der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem Ad-hoc-Hilfspaket eingesprungen. Das wissen die Anleger: „Wir neigen eher dazu, brasilianische als kolumbianische Papiere zu kaufen, weil Brasilien zu groß ist, als dass man es fallen lässt“, gibt der Vermögensverwalter zu.
Ein solches Hilfspaket von 4,15 Milliarden Dollar hat auch den Gläubigern Brasiliens aus der Patsche geholfen. Dabei hatten viele von ihnen zur Dramatik der Krise beigetragen. Die Deutsche Bank etwa verdiente fast 400 Millionen Real an der Abwertung. Zufall oder Insiderinformation? „Wir wussten von nichts“, sagte Katia Sano, Sprecherin der Deutschen Bank in Brasilien, gestern auf Anfrage der taz. „Das waren böse Gerüchte aus Finanzkreisen, wir wissen nicht von wem.“
Doch so ganz aus der Luft gegriffen scheint die Anschuldigung nicht: Immerhin gab es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Verdächtigt wird der ehemalige Zentralbankchef Francisco Lopes: Er soll über seine private Consultingfirma in die Affäre verwickelt sein. Allerdings durften die Parlamentarier nur den Verlauf der Krise im Januar 1999 zusammenfassen – weiter reichen ihre Befugnisse nicht: Zwischen dem vierten und dem 11. Januar 1999 seien pro Tag zwischen 79 und 256 Millionen Dollar außer Land gebracht worden. Am 12. Januar seien es dann plötzlich 1,215 Milliarden gewesen. Und am folgenden Tag wurde der Real abgewertet.
„Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Deutsche Bank davon gewusst hat“, meint ein Brasilienexperte am staatswissenschaftlichen Lehrstuhl der Uni Köln. „Heikle Informationen wie die drohende Abwertung der Währung werden an Freunde und Verwandte weitergegeben – das war 1991 bei der Währungsreform schon einmal so.“ Informationen gebe es auch gegen eine entsprechende Summe – wenn sie denn der andere, in diesem Fall die Deutsche Bank, zu zahlen bereit ist.
Doch selbst wenn der Deutschen Bank der Missbrauch nachgewiesen werden könnte: Nach deutschem Recht fallen Devisengeschäfte nicht unter das Insiderrecht, sondern nur Wertpapiergeschäfte. „Wenn aber auch Wertpapiere im Spiel sind und ein Insidergeschäft nachgewiesen werden kann, dann drohen in Deutschland Haftstrafen bis zu fünf Jahren“, sagt Regina Nößner von der Bundesaufsicht für Wertpapierhandel. In Brasilien allerdings, so fürchtet der Kölner Experte, „würde ein solches Verfahren im Sande verlaufen“.
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