EU-PARLAMENT WOLLTE GESUNDHEIT SCHÜTZEN – OHNE ZUSTÄNDIGKEIT: Der Trick ist leider aufgeflogen
Das Gute, Wahre und Schöne wollen – weniger Lungenkrebstote zum Beispiel – ist politisch legitim. Das Gute, Wahre und Schöne wollen, aber andere Gründe vorschieben ist politisch fatal und geht meistens schief – so auch gestern in Luxemburg. Keineswegs hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass sich Europas Bürger weiterhin mit Zigaretten umbringen dürfen. Er hat nicht einmal darüber geurteilt, ob Tabakwerbung rechtens ist. Er hat lediglich daran erinnert, dass Gesundheitspolitik – noch – Sache der Mitgliedsstaaten ist. Es steht ihnen frei, das zu ändern und gesundheitliche Mindeststandards zum Gegenstand der Gemeinschaftspolitik zu machen. Solange sie das nicht tun, müssen sich Rat, Kommission und Europaparlament aus dem Thema heraushalten.
Mit seinem Taschenspielertrick, Gesundheitsschutz als Schutz des freien Wettbewerbs zu tarnen, hat sich das Parlament einen Bärendienst erwiesen. Denn es hat sich den Standpunkt des politischen Gegners zu Eigen gemacht. Genau die Abgeordneten, die sich bislang dagegen wehrten, in der Europäischen Union lediglich eine Freihandelszone zu sehen, haben sich Argumentationshilfe bei Wettbewerbskommissar Mario Monti geholt. Der wird sie gern daran erinnern, wenn er bei nächster Gelegenheit zum Schutz des freien Wettbewerbs nationale Ökoförderung kippt oder Marktpreise bei städtischen Schwimmbädern anmahnt.
Wenn das Europaparlament beim Gesundheitsschutz der Bürger mitreden will, muss es sich die Zuständigkeit dafür erstreiten. Es muss mit dem Europäischen Rat und der Europäischen Kommission die Debatte darüber führen, welche Kompetenzen nach Europa gehören und welche Politikbereiche vielleicht auf nationale oder regionale Ebene zurückgegeben werden sollen. Mit Eulenspiegeleien lässt sich vielleicht ein kleiner Etappensieg erreichen. Auf lange Sicht ruinieren Taschenspielertricks die Glaubwürdigkeit des Parlaments.
DANIELA WEINGÄRTNER
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