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Erleichterungen für Schuldner

Insolvenzordnung für überschuldete Privathaushalte wird überarbeitet. Die Kosten für das nötige Gerichtsverfahren sollen dem Schuldner künftig gestundet werden

FREIBURG ■ taz Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) will den über drei Millionen überschuldeten Haushalten in Deutschland helfen. Sie plant deshalb eine Reform der erst 1999 in Kraft getretenen neuen Insolvenzordnung. Aufgrund einiger Konstruktionsfehler kam das Gesetz bisher nämlich kaum zur Anwendung. Däubler-Gmelin hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Abhilfe schaffen soll.

Grundsätzlich bleibt es bei einem zweistufigen Verfahren. Zuerst soll außergerichtlich eine Einigung mit den Gläubigern gesucht werden. Gelingt diese nicht, wird das Verfahren vor Gericht fortgesetzt. Am Ende kann ein beim Amtsgericht angesiedelter Insolvenzrichter auch gegen den Willen der Gläubiger eine „Restschuldbefreiung“ anordnen. Während einer siebenjährigen „Wohlverhaltensperiode“ muss der Schuldner allerdings sein pfändbares Einkommen für eine teilweise Tilgung seiner Schulden einsetzen.

Der wichtigste Mangel des Gesetzes ist schon lange erkannt: Wer kein Geld hat, kann auch das Gerichtsverfahren nicht bezahlen. Und ohne vorherige Begleichung der Kosten in Höhe von 2.000 bis 4.000 Mark eröffnen die Insolvenzgerichte das Verfahren erst gar nicht. Deshalb gewährten einige Gerichte den Schuldnern Prozesskostenhilfe, doch überwiegend wurde diese verweigert. Nicht zu Unrecht, denn auf Druck der Länder war in der Insolvenzordnung ausdrücklich auf eine Regelung zur Kostenhilfe verzichtet worden. Die Länder fürchteten damals unabsehbare Mehrkosten für die Landeshaushalte und würden auch heute eine entsprechendeNachbesserung im Bundesrat blockieren.

Gemeinsam mit Landesvertretern hat Däubler-Gmelin daher eine deutlich billigere Lösung entwickelt. Die Prozesskosten werden erst einmal gestundet und dann während oder nach der Wohlverhaltensphase peu à peu abbezahlt. Die Schuldnerberatungsstellen sind mit diesem Vorschlag nicht unzufrieden. „Das ist immerhin eine deutliche Verbesserung zur jetzigen Situation“, findet Anja Michaela Joris von der BAG Schuldnerberatung.

Im Justizministerium geht man davon aus, dass sich die Zahl der Restschuldbefreiungen künftig deutlich erhöht. Mit einer sprunghaften Zunahme an Gerichtsverfahren ist dennoch nicht zu rechnen, da es vermutlich auch mehr außergerichtliche Einigungen geben wird. „Bislang verweigern sich viele Gläubiger aus Prinzip, denn sie wissen, dass der Schuldner das Insolvenzgericht aus Kostengründen gar nicht einschalten kann“, erklärt ein Experte des Justizministeriums.

Mehr außergerichtliche Einigungen soll auch eine zweite wichtige Maßnahme ermöglichen. Bisher sind nämlich viele Schuldnerberatungsstellen so überlastet, dass man monatelang auf einen ersten Einigungsversuch warten muss. Däubler-Gmelins Gesetzentwurf will nun die Anreize für Rechtsanwälte erhöhen, sich in diesem Tätigkeitsfeld zu engagieren. Hierzu sollen die Gebühren für außergerichtliche Einigungsversuche deutlich erhöht werden. Nutzen wird diese zusätzliche Möglichkeit vor allem Schuldnern, die noch über ein laufendes Einkommen verfügen und sich so einen Anwalt leisten können.

Der Gesetzentwurf, der noch eine Reihe weiterer Punkte aufweist, soll Ende des Jahres im Kabinett beraten und anschließend in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wird inzwischen jede vierte Insolvenz von Privathaushalten beantragt. Im ersten Halbjahr 2000 zählte die Statistik 19.500 Insolvenzen, dies war ein Anstieg um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

CHRISTIAN RATH

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