: Mehr Freiheit, weniger Mitsprache
Auch an der Uni Hamburg wird über die Umwandlung in eine Stiftung nachgedacht. Viel mehr Geld soll so hereinkommen, die Autonomie der Hochschule größer werden – und die Leitungsorgane konzentriert werden
HAMBURG taz ■ Es wäre kein besserer Rahmen vorstellbar gewesen für Hamburgs Uni-Präsidenten Jürgen Lüthje, um seine Vision einer Stiftungsuniversität kundzutun. Die Patriotische Gesellschaft hatte zum ersten Hamburger Stiftungstag geladen, der passenderweise in dem vom Ehepaar Greewe gestifteten Flügelbau der Universität stattfand. Damals hatte es Proteste von Studierenden gegen den Bau gegeben, da sie den Ausverkauf Humboldt’scher Ideale an private Sponsoren witterten. Was Lüthje hier am Wochenende den Besuchern des Stiftungstages mit auf den Weg gab, führt die Idee des privaten Hochschul-Sponsorings auf eine ganz neue Ebene. „Diese Stadt sollte eine Stiftungsuniversität haben“, sagte Lüthje. „Dann kann diese Universität eine der besten unseres Landes werden.“
Lüthjes Vision ist nicht neu – in der Hansestadt wird schon eifrig darüber debattiert. Im Rahmen der Novellierung des Hamburger Hochschulgesetzes haben sich die Hochschulen Gedanken gemacht über eine Änderung der Rechtsform der Universität. Als Einrichtung der Stadt Hamburg ist sie derzeit eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung. Soll die Universität in eine Stiftung überführt werden, muss diese Rechtsform geändert werden. Als die Wissenschaftsbehörde im Juni dieses Jahres den Gesetzentwurf vorlegte, bemerkte diese zur Frage der Rechtsform lediglich lapidar: „Die Überführung von Hochschulen in eine andere Rechtsform bedarf eines Gesetzes.“ Derzeit lotet eine Expertenkommission Chancen und Risiken eines solchen Gesetzes aus.
Mächtige Stiftungschefs
Wie aber könnte eine Stiftungsuniversität Hamburg aussehen? Ein mögliches Modell wäre, dass die Universität weiterhin körperschaftlich verfasst bliebe; ihr Träger wäre die allein rechtsfähige Stiftung. Die Organe von Universität und Stiftung würden integriert, das heißt, die Aufgaben des Stiftungsvorstandes, der Hochschulleitung, des Stiftungsrates und des Kuratoriums würden in Personalunion wahrgenommen.
Grundstücke, Gebäude und Inventar der Universität würden in das Stiftungsvermögen fallen – die Uni könnte folglich selbst über sie verfügen. Auch die universitären Einkünfte wie Miete, Werbeeinnahmen oder Entgelte aus Veranstaltungen kämen der Stiftung zu. Von staatlichen Bindungen sollte die Stiftung freigestellt werden, ihr Personal ohne Mitwirkung der Stadt Hamburg einstellen können.
Wo bliebe in einem solchen Szenario die Stadt Hamburg, deren Hochschulen ja laut Gesetz ihre Einrichtungen sind? Sie würde sich zurückziehen, der Universität mehr Freiräume geben, aber ihre politische Verantwortung nicht vollständig abgeben. Über die jährliche Zahlung eines gesetzlich festgelegten Betrages, über die Vertretung in einem Kuratorium und nicht zuletzt über die Hochschulgesetzgebung besäße die Stadt Hamburg weiterhin Instrumente, um ihrer hochschulpolitischen Verantwortung gerecht zu werden.
Für Präsident Lüthje ist die Stiftungsuniversität das Hochschulmodell der Zukunft. In Zeiten knapper Haushaltskassen wäre die Finanzierung langfristig gesichert, die Universität wäre unabhängig von wechselnden politischen Mehrheiten und unsicheren staatlichen Zuwendungen.
Tatsächlich setzen immer mehr Bildungsreformer auf privates Vermögen. Zahlreiche Stiftungen entdecken den Hochschul- und Bildungsbereich als lohnende Investition in die Zukunft, zumal das neue Stiftungsrecht den Stiftern entgegenkommt. Während die Hochschulen über knapper werdende öffentliche Mittel klagen, halten sie im privaten Bereich die Hand weit auf. „Wenn gegenwärtig in der Bundesrepublik ein privates Vermögen von 14 Billionen Mark existiert, dann hat auch eine Stiftungsuniversität gute Chancen, bei der Vererbung von großen Vermögen bedacht zu werden“, hat Lüthje einmal gesagt – und damit angedeutet, wie die Universität der Zukunft aussehen könnte: wohlhabend zwar, aber auch akademisch frei?
Derzeit wird kaum über die Kehrseite der Stiftungseuphorie gesprochen. Ein Workshop über neue Rechtsformen der Hochschule kommt in einer Dokumentation immerhin zu dem Schluss. „Als Risiken einer neuen Rechtsform wurde die Gefährdung der akademischen Freiheit und die unbeantwortete Frage der Revidierbarkeit einer entsprechenden Entscheidung aufgeführt.“ Diskussion folgt – hoffentlich. CHRISTIAN SONNTAG
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