Kaputte Märkte immer willkommen

EU und Deutschland fördern Wiederaufbau Jugoslawiens – und stimulieren damit zu Hause die Nachfrage

BONN taz ■ Bekim Zemoski steht in den Startlöchern. „Sobald die EU-Gelder da sind, eröffnen wir unser Büro in Belgrad“, sagt der Projektmanager der deutschen Tertia Ag. Derzeit arbeitet er noch im makedonischen Skopje an dem, was möglichst bald auch in Belgrad aufgebaut sein soll: ein Personaldienstunternehmen, das ausländischen Investoren schlüsselfertige Büros zur Verfügung stellt und heimische Unternehmen in modernem Management unterweist.

Neben Mitteln aus dem EU-Stabilitätspakt, an dem sich die deutsche Regierung mit 300.000 Millionen Mark beteiligt hat, habe die Tertia Ag im vergangen Jahr 250.000 Mark selbst investiert. Voraussetzung für weitere Investitionen in Belgrad sei aber, dass die von der EU angekündigten Projektgelder zügig fließen. Im Gespräch sind knapp 5 Milliarden Mark in den kommenden fünf Jahren. Die deutsche Regierung hat zusätzlich 50 Millionen Mark für die Räumung der Donau-Rinne, für Trinkwasserversorgung und humanitäre Hilfe in Aussicht gestellt – da reiben Investoren zwischen Alpen und Nordsee sich schon mal die Hände. Gute Geschäfte winken. Aber auch in Berlin trauert man den 50 Millionen Mark nicht nach: Investitionen in Jugoslawien sichern zu Hause Arbeitsplätze.

Zemoski, der in Makedonien aufgewachsen ist und in Deutschland studiert hat, ist einer der ersten vor Ort. Organisiert hat er sich im „Firmenpool Ost Europa“, den die Industrie- und Handelskammer Dortmund aufgebaut hat und die zwischen über 100 Unternehmen in osteuropäische Länder vermittelt.

Die schnelle Mark lässt sich in Jugoslawien allerdings nicht machen. Zunächst müssten Jahre, nicht nur Monate investiert werden, um Gewinne zu erzielen, sagt Torsten Klette, der Osteuropareferent des Deutschen Industrie- und Handelstags. Besitzverhältnisse müssten geklärt werden, denn bisher habe „Serbien kaum private Betriebe“. Die marode Infrastruktur und alte Maschinen müssten ersetzt werden.

Dennoch eröffne sich mit Jugoslawien für ausländische Investoren „ein großer Wachstums- und Zukunftsmarkt“, so Klette. Das heutige Jugoslawien ist der größte Markt des einstigen Jugoslawiens. 10 bis 11 Millionen Menschen leben hier. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen eines Bauarbeiters von 250 Mark liegen die Löhne weit unter Westniveau. Schon deshalb werde mit regionalen Firmen zusammengearbeitet.

Doch Firmen mit heimischem Personal vor Ort aufzubauen, ist nicht nur marktwirtschaftlich sinnvoll, es erhöht auch die Chancen, an EU-Gelder zu gelangen: Wie Catherine Day gestern für die EU-Kommision in Belgrad erklärte, sollen die ausländischen Nutznießer der europäischen Aufbauhilfe mit lokalen Partnern zusammenarbeiten.

Vor allem Deutschland kann auf einst florierende Kontakte nach Jugoslawien zurückgreifen: „Ein großer Teil der Maschinen für die Textilindustrie kam früher von hier“, so Klette. Allerdings ist der Handel mit Jugoslawien seit 1990 um 80 Prozent gesunken: Damals flossen 2,5 Milliarden Mark ins Im- und Exportgeschäft, heute sind es gerade noch 600 Millionen Mark. Und einen weiteren Vorteil hat Deutschland: Die vielen Kriegsflüchtlinge und ausländischen Studenten, die nun nach Jugoslawien zurückkehren – sie sprechen nämlich Deutsch.

MEIKE BÖSCHEMEYER