: Eskalation in Palästina nach Lynchmord an Israelis
Israelische Hubschrauber beschießen die autonomen palästinensischen Städte Ramallah und Gaza mit Raketen. Palästinensische Menge ermordete mindestens zwei israelische Soldaten in Ramallah
JERUSALEM rtr/dpa/taz ■ Nach dem Lynchmord an mindestens zwei israelischen Soldaten droht der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zum Krieg zu eskalieren. Israelische Hubschrauber schossen gestern Nachmittag mit Raketen auf die autonomen palästinensischen Städte Gaza und Ramallah, wo der Mord geschehen war. Dabei wurden in Ramallah eine Polizeiwache und Bürogebäude der Autonomiebehörde getroffen. Etwa 20 Menschen wurden verletzt. Schwarzer Rauch stieg über der Stadt auf. Panzer waren am Stadtrand in Stellung gebracht. Sämtliche autonomen palästinensischen Städte wurden von israelischem Militär abgeriegelt.
Auch in unmittelbarer Nähe von Arafats Hauptquartier im Gaza-Streifen schlugen von Hubschraubern abgefeuerte israeliRaketen ein. Offenbar wurden eine Feuerwehrkaserne und Marineeinrichtungen getroffen. Arafats Residenz selbst blieb unbeschädigt. Explosionen wurden auch aus Gaza-Stadt gemeldet.
Arafat sprach von einer „Kriegserklärung“ Israels. Der palästinensische Planungsminister Nabil Schaath sagte: „Was wir sehen, ist ein totaler Krieg.“ Die radikal-islamische Hamas droht mit Vergeltungsschlägen. Ein Großteil der von der palästinensischen Autonomieregierung in Haft gehaltenen Hamas-Mitglieder soll gestern freigelassen worden sein. Die israelische Armee erklärte, ihre Angriffe seien eine begrenze Aktion und ein klares Signal an die palästinensische Führung, dass die Armee nicht die Hände in den Schoß lege, wenn Gewaltakte verübt würden. US-Außenministerin Madeleine Albright forderte Israelis und Palästinenser auf, die Welle der Gewalt sofort zu beenden.
In Ramallah waren am Morgen mindestens zwei israelische Soldaten von einer aufgebrachten Menge getötet worden. Nach palästinensischen Quellen hielt die palästinensische Polizei in der Stadt zwei in Zivil gekleidete Männer an, weil sie ihr verdächtig erschienen. Sie habe sie zu ihrem eigenen Schutz in eine Polizeistation gebracht, vor der sich kurz darauf eine aufgebrachte Menge versammelte – dieselbe Polizeistation, die am Nachmittag von israelischen Raketen getroffen wurde. Die Menschen stürmten die Station und schlugen die Männer tot. Nach Angaben aus israelischen Militärkreisen gehörten die Männer zu einer Gruppe von vier Reservisten, die in einem Auto im Westjordanland unterwegs waren und sich verfahren hatten. Israels Fernsehen sprach von drei Toten und einem Schwerverletzten.
UN-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete den Lynchmord als „abscheuliches Ereignis“ und reiste vorzeitig aus dem Libanon nach Israel. In einer Erklärung bedauerte die palästinensische Autonomiebehörde den Lynchmord, machte aber zugleich die israelische Seite für die jüngste Eskalation der Gewalt verantwortlich. Die Politik „der Verteidigung unseres Volkes und der heiligen Stätten“ werde weiterverfolgt, hieß es.
Die UNO bestätigte ein Treffen des trilateralen Sicherheitsrates aus hohen palästinensischen, israelischen und US-Sicherheitsexperten. Annan sagte, der Chef des US-Geheimdienstes CIA, George Tenet, sei in Israel zur Teilnahme am Treffen des Rates eingetroffen. KLH
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