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Polnische Literatur auf der Buchmesse

„Was ist anders geworden? Alles.“ So fasst Albrecht Lempp, Leiter der Arbeitsgruppe polnische Literatur auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt am Main, die Entwicklung der letzten Jahre zusammen. Die Vergangenheit sei Vergangenheit geworden, nicht mehr nur Geschichtliches und der Holocaust seien Themen.

Kategorien wie hohe und niedere Literatur verschwimmen, universelle Themen wie Liebe, Macht und Tod stehen in Polen im Vordergrund. Auch auf der Buchmesse präsentiert sich das Land als frisch, undogmatisch und unverbraucht. Über sechzig polnische Autoren sind nach Frankfurt eingeladen.

Neben altbekannten Schriftstellern wie Ryszard Kapuszynski und dem Holocaust-Chronisten Henryk Grynberg sind auch die Shootingstars der letzten Jahre vertreten.

Da wäre der Feuilletonist und Prosaschriftsteller Jerzy Pilch, der eine unterhaltsame Oberfläche mit Tiefsinn verbindet und so gegen das Klischee von der polnischen Tristesse anschreibt. Sein Leben in einer protestantischen Enklave sorgt für Distanz zur Mainstream-Gesellschaft. Beschrieben hat er es in dem Roman „Andere Lüste“ (Volk & Welt, Berlin 2000, 171 Seiten, 28 Mark).

Das Leben zwischen zwei Welten, in diesem Fall zwischen Polen und den USA, ist auch Thema bei Piotr Siemion, der als Rechtsanwalt in den USA lebt und in diesem Jahr sein viel beachtetes Debüt „Picknick am Ende der Nacht“ (Volk & Welt, Berlin 2000, 416 Seiten, 44 Mark) veröffentlichte.

Das Leben im Ausland ist auch Thema bei Janusz Rudnicki, der seit 1983 in Hamburg lebt. Rudnicki beschreibt deutsche Wirklichkeit in ganz eigener Sprache – ohne nostalgischen Blick gen Polen: „In meinem ‚Vaterland‘ bin ich schon nicht mehr ganz zu Hause. In Hamburg erst recht nicht. Weder hier gibt es mich noch dort.“

Nach eigenen Ausdrucksform sucht auch Maria Nurowska, vor allem nach einer erotischen Ausdrucksfrom in der polnischen Sprache: „Ich habe meine liebe Not damit gehabt, denn es gibt in der polnischen Sprache kein erotisches Vokabular. Es ist entweder vulgär oder medizinisch.“ Ihr Thema: leidenschaftliche Frauengestalten. Jüngste Veröffentlichung auf Deutsch: „Tango für drei“ (Scherz, München 2000, 183 Seiten, 36 Mark).

1998 zum Star in der polnischen Literaturszene geworden ist Margorzata Saramonowicz. In Frankfurt ist sie mit ihrem Debüt „Die Schwester“ (Rotbuch, Hamburg 2000, 183 Seiten, 36 Mark) zu Gast. In dem Roman, bei seiner Veröffentlichung vor zwei Jahren binnen Tagen ausverkauft, geht es darum, wie Angst völlig Besitz ergreifen kann von einem Menschen.

Ein weiterer Publikumsliebling in seiner Heimat ist der angry young man der polnischen Literatur, Andrej Stasiuk, von den Lesern gefeiert, bei der Kritik umstritten. In Frankfurt ist er zu Gast mit seinem zweiten auf Deutsch erschienen Roman „Die Welt hinter Dukla“ (Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, 180 Seiten, 36 Mark).

Unter www.buchmesse.de sowie www.polska2000.pl mehr Infos.

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