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Staatsschutz kämpft für Autofahrer

Lehrerin erhält wegen Blockade am autofreien Tag polizeiliche Vorladung  ■ Von Gernot Knödler

Wenn es ums Auto geht, versteht die Polizei keinen Spaß. Da war es Senat und Bürgerschaft in den Sinn gekommen, Hamburg könnte sich am 22. September den Autofreien Tag gönnen, wie ihn EU-Kommissionspräsident Romano Prodi vorgeschlagen hatte. ADAC und Handelskammer murrten – das reichte, um die Idee, Durchgangsstraßen an diesem Tag vom Autoverkehr zu befreien, schnell vom Tisch zu fegen. Trotzdem wagte es die Alto-naer Fachhochschule für Sozialpädagogik, direkt an der stark befahrenen Max-Brauer-Allee gelegen, wider den Stachel zu löcken.

Eine Lehrerin beantragte bei der Polizei, die Straße zum Feiern sperren zu dürfen. Abgelehnt. Ob die Kollegen dann nicht wenigstens dafür sorgen könnten, dass die Autos an diesem Tag nicht den halben Gehsteig an der Allee zuparken, wie sie es sonst immer tun? Abgelehnt. „Unsere Kollegin ist daraufhin wohl ziemlich deutlich geworden“, erzählt Nora-Ulrike Betz, Lehrerin an der Fachhochschule.

Deutlich genug jedenfalls, um die Beamten misstrauisch werden zu lassen. Man rief in der Schule an und erkundigte sich vorsorglich, ob man dort möglicherweise zum Autofreien Tag Strafbares im Schilde führe. Eine so genannte 50/50-Gruppe, die sich mit der Vorbereitung des Autofreien Tages beschäftigte, hatte SchülerInnen und LehrerInnen zwar mitgeteilt, dass aus dem Fest auf der Straße nichts werde. Dafür planten KollegInnen und SchülerInnen jedoch Aktionen auf der Schulwiese und auf dem Gehsteig.

Der Tag kam, Schüler- und LehrerInnen spielten, tanzten und trommelten – und demonstrierten für eine autoarme Stadt. Stand die Fußgänger-Ampel auf Grün, stellten sich SchülerInnen mit einem Transparent den Autos entgegen: „Spritpreise werden teurer. Lasst eure Autos stehen.“ Schaltete die Ampel auf Rot, ließen sie den Verkehr durch. Kurz nach elf wurde ihnen das ewige Hin- und Her offenbar zu dumm und sie blieben stehen.

Die Polizei rückte daraufhin mit einem Dutzend Fahrzeugen an, sperrte die unangemeldete Demo auf beiden Seiten ab, drohte dreimal mit Räumung und drängte die SchülerInnen am Ende ganz sanft von der Straße. Die taz berichtete. Thema durch.

Nicht so für Nora-Ulrike Betz. Die Polizei, Abteilung Staatsschutz, lud sie vorgestern vor: „Es besteht der Verdacht, dass Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit in der ,50/50er Gruppe' eine Versammlung veranlasst haben und während der Demonstration eine leitende Funktion verrichteten“, musste die Frau lesen.

Wie ihre Kollegen bestätigten, war die Lehrerin aber gar nicht vor Ort, als die Blockade begann. Sie schaute sich mit ihrer Klasse die Aktionen in der Bahrenfelder Straße an. Frau Betz machte den Fehler, sich bei der Einsatzleitung nach dem Grund für das Polizei-Aufgebot zu erkundigen und dem Beamten auch noch ihre Visitenkarte aufzunötigen. Jetzt hat sie den Ärger. „Ich finde es absurd, dass sich die Polizei auf die eine Person stürzt, die sich kenntlich gemacht hat“, sagt ein Kollege, der nach diesen Erfahrungen lieber seinen Namen nicht nennen will.

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