Und sie rechnet sich doch!

Der Ölpreisschock hat zu einem Nachfrageboom an Solartechnik geführt. Die Berliner Branche ist guten Mutes: Jetzt beginne das Geschäft sich zu rechnen. Bilang konnte die Investitionsbank Berlin jedoch keine erhöhte Fördergeld-Nachfrage feststellen

von VOLKER ENGELS

Des einen Frust ist des anderen Lust: Hurra, die Ölpreise steigen! Die Solarenergiebranche reibt sich die Hände. Der Einsatz von Sonnentechnik kann die Heizrechnungen mehr als halbieren, staatliche Zuschüsse machen selbst Skeptikern den Mund wässrig. „Die Nachfrage nach Solaranlagen“, sagt Karsten Körnig von der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS) aus Berlin, „ist in den letzten Wochen deutlich gestiegen.“ Zunehmend würden sich die Verbraucher Gedanken machen, „wie sie sich von Gas und Öl unabhängiger machen können“. Der Einsatz von Photovoltaik, die aus Sonnenlicht Strom produziert, und Photothermie, die Sonnenlicht in Wärme verwandelt, lohne sich mittlerweile auch unter wirtschaftlichen Aspekten. „Die Sonne schickt uns keine Rechnung.“ Für die kommenden Jahre erwartet Körnig Wachstumsraten, die mit dem Handymarkt vergleichbar seien. „Da ist Musik drin.“ Gerade im ansonsten strukturschwachen Berlin stünden die Zeichen der Branche deutlich auf Expansion. „Wie viele Arbeitsplätze hier zur Zeit geschaffen werden, kann kaum erfasst werden, so schnell wie sich der Markt entwickelt.“

Ähnlich optimistisch blickt der Geschäftsführer der Berliner Firma Aligator Sunshine Technologie in die Zukunft: „Im August und September haben wir einen richtigen Nachfrageboom gehabt“, berichtet Geschäftsführer Izzet Fugac. Der mittelständische Betrieb produziert Solarmodule, die in Dachziegeln integriert sind und warmes Wasser mittels Sonnenlicht produzieren. In den nächsten Jahren rechnet Fugac mit einer Verdopplung der Nachfrage.

Die Höhe des Ölpreises ist auch für den Strategievorstand der Berliner Solon AG, Alexander Voigt, ein Grund zur Freude: „Wenn die Grenze von 75 Pfennigen pro Liter überschritten ist, rechnen sich alternative Energien.“ Früher seien es vor allem Idealisten gewesen, die Sonnenkollektoren geordert hätten. Heute gehörten zu den Kunden auch viele kühle Rechner, die in ihren Einfamilienhäusern bis zu sechzig Prozent der Heizölkosten einsparen wollten. Entsprechend positiv beschreibt Voigt die Perspektiven: „Der Blick in die Zukunft ist grandios.“ Allein in diesem Jahr habe es vierzig Neueinstellungen in dem Kreuzberger Betrieb gegeben, der mittlerweile rund um die Uhr in drei Schichten produziert. Einziger Wermutstropfen: Die Darlehen, die solarinteressierte Kunden über das „100.000-Dächer-Programm“ der Bundesregierung beantragen können, würden im Bundeswirtschaftsministerium nur sehr „schleppend“ bearbeitet. Das erhöht Lager- und Produktionskosten. „Es gibt Kunden“, so Voigt, „die seit Februar auf die Bewilligung ihrer Anträge warten.“

Rund 4 Millionen Mark standen im Jahr 2000 für die stadtweiten Maßnahmen des Berliner Modernisierungs- und Instandsetzungsprogramms zur Verfügung, mit dem regenerative Energien gefördert werden. Die Investitionsbank Berlin kann keine erhöhte Nachfrage nach günstigen Krediten feststellen. „Der Ölpreis hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung der Fördernehmer“, teilt der Pressereferent der Bank, Christian Hartwich, mit. Wer aber im laufenden Jahr noch Fördermittel beantragen will, hat bereits im Oktober schlechte Karten. Der Topf ist leer. Wie viel Geld das Land im kommende Jahr zur Verfügung stellen wird, steht noch nicht fest. Sicher aber ist: Interessierte sollten schnell entscheiden, damit die Sonne auch in ihr Portemonnaie lacht.

Anleger, die zu Jahresbeginn ihr Geld in Aktien der Berliner Solon AG investiert haben, konnten ihren Einsatz fast vervierfachen. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht: Die Schweizer Sarasin-Bank prognostiziert in einer Studie zur Photovoltaik bis ins Jahr 2010 eine jährliche Marktexpansion von fast zwanzig Prozent. Neben weltweiten staatlichen Förderprogrammen sind vor allem gesunkene Kosten bei der Produktion von Solarzellen- und Modulen dafür verantwortlich, dass sich der Sonnenstrom langsam zu einer echten Alternative zu fossilen Brennstoffen entwickelt.