: Ich gestehe etwas Schreckliches
ARNO FUNKE alias Dagobert erklärt, warum Erpressen nichts bringt, Solidarität mit einer bestimmten Zeitung hingegen sehr viel.
Vor Monaten hatte die taz versucht, mit der Androhung einer Titten-taz die Leser zu erpressen und sie zur Übergabe von Abos zu zwingen. Dass das nicht klappen wird, hätte ich den Verantwortlichen gleich sagen können. Denn mit Erpressungen kenne ich mich aus. Der Preis, den ich dafür gezahlt habe, von Karstadt eine Million Mark zu erpressen, war hoch: 6 Jahre und 4 Monate habe ich im Gefängnis gesessen.
Jetzt versuche ich es mit ehrlicher Arbeit.
Warum muss uns, Deutschland, der Welt die taz erhalten bleiben? Gute Frage! Meistens ist mit dieser Antwort das Gespräch beendet, weil es nur zeigt, dass demjenigen, der: „Gute Frage!“ antwortet, nichts einfällt. Als mir diese Frage gestellt wurde, entgegnete ich: „Schlechte Frage!“ Wenn es schon so weit ist, dass einem diese Frage überhaupt gestellt wird, muss es um die taz schlecht bestellt sein. Schlagartig wurde mir bewusst, dass guter Journalismus offensichtlich von den meisten Zeitungslesern nicht honoriert wird. Die taz ist, meiner Meinung nach, eine der wenigen Zeitungen, die ihren Lesern vorher mitteilt, wenn er ausnahmsweise veräppelt wird.
Andere Zeitungen teilen ihren Lesern noch nicht mal mit, wenn er ausnahmsweise für gebildet, klug oder weltoffen gehalten wird. Wenn jemand so prominent ist, dass die Medien freiwillig über sein Hämorrhoidalleiden berichten würden, weiß er zu schätzen, wenn es noch Zeitungen gibt, die sich mit wichtigeren Themen beschäftigen.
Die Geschichte der taz erinnert mich an die Leidensgeschichte hochbegabter Kinder, deren Andersartigkeit oftmals missverstanden und verkannt wird. Ich halte die taz für hochbegabt, allerdings erschließt sich ihr spröder Charme nicht jedem auf Anhieb.
Leider geht der Trend nicht zur Zweit-Zeitung wie beim Zweit-Auto, Zweit- Freundin oder Zweit-Gebiss. Ich müsste mir dann um die taz keine Sorgen machen. Bei Industrie und Wirtschaft hat es sich anscheinend noch nicht herum gesprochen, dass taz-Leser schon lange keine Konsumverweigerer sind. Es lohnt sich, auch in der taz für 3-Liter-Sportwagen zu werben.
Ich schäme mich, aber ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich schon mal gelegentlich eins dieser Boulevardblätter gekauft habe. Ich musste es tun, schließlich wollte ich wissen, was wieder Falsches über mich berichtet wurde. Ich stand mit zitternden Schweißhänden im Zeitungsladen und verlangte nach der Zeitung, deren Namen ich hier nicht schreiben möchte. In meinem hochrotem Kopf hämmerte ununterbrochen nur ein Gedanke: „Hoffentlich sieht mich keiner.“ Ohne sich der Peinlichkeit dieser Situation bewusst zu werden, überreichte mir der Zeitungshändler das Blatt. Hastig wickelte ich es in eine für diesen Zweck zuvor gekaufte taz und verließ eilig den Laden.
Was würde ich in Zukunft machen, wenn es keine taz gäbe? Was ist, wenn mich eines Tages doch noch ein Bekannter, ein Nachbar oder meine Freundin mit einem Boulevardblatt erwischt? Mein Ruf wäre dahin, ich würde mein Gesicht verlieren. Mein Leben wäre ruiniert. Ich hoffe, dass die taz endlich die Anerkennung und Förderung erhält, die ihr von ihrer Qualität her zusteht. Bitte lasst mich nicht mit den vielen Boulevardblättern allein!
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