piwik no script img

Coach am Hauptbahnhof

■ Hamburger Drogenfachleute kritisieren „verlogene Debatte“ über Fall Daum

Den Fachmann wunderte die Nachricht nicht, dass der designierte Fußball-Nationaltrainer Chris-toph Daum Drogen konsumiert haben soll. „Zwar hatten wir in unserer Beratung noch keinen Coach“, sagt Rainer Schmidt, „aber ansonsten sind alle Berufsgruppen vertreten.“ Der Geschäftsführer der Hamburger Drogenhilfeeinrichtung „Palette e.V.“ kritisiert die Debatte um Daums „Verfehlungen“ (Bild am Sonntag): „Drogen sind Bestandteil dieser Gesellschaft. Wer sich darüber aufregt, leugnet die Realität.“

Als „zum Teil verlogen“ bezeichnet auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Mathias Petersen, die Statements von Prominenten aus der Fußballwelt. „In diesem Milieu sind doch viele alkoholabhängig“, weiß der Arzt, „aber das wird als natürlich dargestellt.“ Dass „jetzt keiner mit dem Finger auf Daum zeigen“ sollte, hatte zumindest HSV-Trainer Frank Pagelsdorf in der BamS gemahnt.

„Fantastisch“ sei an der Debatte um Daums positive Haarprobe allerdings, so Schmidt, dass das Wort „kriminell“ nicht falle. (Franz Beckenbauer in der Welt am Sonntag: „Schließlich ist er krank, und man muss ihn heilen.“ BamS: „Jeder braucht irgendwann Hilfe.“) Über DrogenkonsumentInnen, die nicht so prominent sind, werde oft anders geurteilt. Schmidt und Petersen haben allerdings wenig Hoffnung, dass der Fall Daum mit Vorurteilen über KonsumentInnen aufräumt. „Wenn die Medien wieder die Bilder von Junkies am Hauptbahnhof bringen, redet kein Mensch mehr von Daum“, prognostiziert Petersen.

Als unverständlich bezeichnet Schmidt, dass Daum seinen Job als Trainer bei Bayer Leverkusen verlor: „Der Mann macht doch prima Arbeit. Und wenn er das nun mal mit Koks besser kann? Er schädigt doch niemanden.“ Dass der Fall Daum die Effektivität der Kampag-ne „Keine Macht den Drogen“ des Deutschen Fußball-Bundes beeinträchtigen könnte, glaubt Schmidt nicht: „Die bringt doch sowieso nichts.“ Heike Dierbach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen