: Wohnprojekt statt Pinneberg
Mit Bauherren-Gemeinschaften möchte der Senat Besserverdienende in der Stadt halten. Wer Familien gründen will, zieht lieber ins Umland ■ Von Gernot Knödler
Hamburg verliert wohlhabende EinwohnerInnen ans Umland, weil diese ein Haus oder eine Eigentumswohnung kaufen wollen, in der Stadt jedoch nichts Passendes finden. So lautet das Fazit einer Studie des Berliner Empirica-Instituts in Auftrag der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) und der Bausparkasse Schwäbisch Hall, die gestern vorgestellt wurde. Sie sollte die Möglichkeiten untersuchen, politisch der Abwanderung entgegen zu wirken. Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL) glaubt, dies durch mehr Mitsprache der künftigen WohnungseigentümerInnen beim Geschosswohnungsbau erreichen zu können.
„Uns beunruhigt ja schon seit einiger Zeit die Tendenz zur Ausbreitung der Vorstädte“, sagte der Senator. Zur Zeit verliert Hamburg rund 9000 EinwohnerInnen im Jahr. Jeder diese Wegzügler nimmt 6000 Mark Steuern mit, macht 50 Millionen Mark weniger für den städtischen Haushalt.
Dabei wollten die wenigsten der befragten UmzüglerInnen aus Hamburg weg ziehen: Ein Drittel konzentrierte sich bei der Suche auf die Stadt. Ein weiteres Drittel suchte überdies im Umland. Lediglich 4000 von 69.000 Haushalten zog es mit Macht ins Umland. „In Hamburg ist die Identifikation mit der Stadt extrem hoch“, schlussfolgerte Marie-Therese Krings-Heckemeier von Empirica.
Weg ziehen vor allem Deutsche, wenn sie eine Familie gründen oder vergrößern wollen oder mehr als 60 Jahre alt sind. 60 Prozent der Abwandernden verfügen über ein Haushalts-Netto-Einkommen zwischen vier- und achttausend Mark – doppelt soviel wie der Durchschnitt der Haushalte. AusländerInnen ziehen dagegen in die Stadt oder bleiben dort.
55 Prozent der Wegzügler motivierte der Wunsch nach den eigenen vier Wänden – gegenüber 25 Prozent im Durchschnitt aller Umzugshaushalte. Finanzielle Aspekte spielten für die Hälfte der Wegzügler eine Rolle, aber nur für sieben Prozent der Hiergebliebenen; über die gute Qualität ihres Wohnumfeldes freuen sich 90 Prozent der Wegzügler, aber nur 38 Prozent der Noch-immer-HamburgerInnen.
Wer im Umland eine Wohnung kaufe, obwohl auch eine in Hamburg in Frage gekommen wäre, sei ein „Qualitätsoptimierer“, schlussfolgert Krings-Heckemeier – zumal der absolute Betrag, den die Leute für ihr Eigenheim ausgaben, im Umland höher lag als in der Stadt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Möglichkeit, ihre Wünsche verwirklichen zu können, sei für diese Leute entscheidend.
Weil die freie Fläche Hamburgs nicht groß genug ist, um alle Eigenheimwünsche zu befriedigen, will Maier „über die Nachfrager nach städtischen Wohnformen suchen, die weniger Fläche brauchen“. Er denkt dabei an Bauherren-Gemeinschaften nach dem Muster von Tübingen, wo viele Eigentümer gemeinsam ihre Wohnanlage planten. Im nächsten Schritt will er hierfür Grundstücke vorschlagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen