: „Richtungswechsel“ in Bremer Baupolitik
■ SPD will keine 10.000 Mark Zuschuss mehr für Häusle-Bauer aus dem Programm „Bremer bauen in Bremen“ / CDU: „Wir machen keine Rolle rückwärts“
Wenn es nach der SPD geht, wird eines der wesentlichen Förderprogramme der Baupolitik demnächst eingestampft. Rund 700 Mal wurde seit 1996 ein Zuschuss von 10.000 Mark für diejenigen gewährt, die sich auf innerstädtischem Gebiet ein Haus bauen wollten. Dennoch sinken die Einwohnerzahlen munter weiter, wie eine kleine Anfrage der SPD jetzt ergab. Nicht nur darum macht das Instrument für Cars-ten Sieling, baupolitischer SPD-Sprecher, keinen Sinn mehr: „Das ist nicht mehr als ein psychologisches Häppchen.“
Er ist sich außerdem nicht sicher, ob die 10.000 Mark nicht zum „durchlaufenden Posten“ für die Bauwirtschaft geworden sind, sprich: dass sie die Grundstückspreise dem staatlichen Zuschuss entsprechend erhöht hat. Deshalb will der Bauexperte das Programm umstricken. Dergestalt, dass in Zukunft staatliche Fördermittel verstärkt in die Modernisierung des Bestands gehen: „Wir müssen dabei helfen, dass Mieter Eigentümer werden.“ Mit einem anderen Teil des Geldes soll Lückenbebauung im Stadtbereich gestärkt werden.
Indes sieht die CDU keinen Anlass für die Einstellung des Programms. „Das ist ein Erfolg, wir machen weiter mit der Förderung der Einfamilienhauses “, so Helmut Pflugradt, baupolitischer CDU-Sprecher. Obwohl laut den Ergebnissen der kleinen Anfrage nach wie vor jährlich zwischen 2.000 und 4.500 Bremer die Stadt in Richtung Umland verlassen, will die CDU an den bekannten Förderinstrumenten festhalten. „Die Leute suchen nach freistehenden Einfamilienhäusern, also müssen dafür Flächen ausgewiesen werden. Damit haben wir in Borgfeld begonnen, damit machen wir in der Osterholzer Feldmark weiter“, sagt Pflugradt kategorisch.
„Bremen ist eine Stadt und kein Dorf“, findet dagegen Sieling und kritisiert die Orientierung der Baupolitik an Maßstäben des Speckgürtels. Für die SPD geht es bei der Abschaffung des Bauzuschusses längst nicht nur um das Verschieben einer Fördermaßnahme. Ein Richtungswechsel in der Baupolitik müsse eingeleitet werden.
„Stadtwachstum erreicht man jedenfalls nicht, indem man die Umlandabwanderung verhindert“, kritisiert Sieling die Selbstbezüglichkeit des Programms „Bremer bauen in Bremen“. Groß werden Städte erst durch die so genannte Fernwanderung, also durch Menschen, die zum Studieren kommen oder weil sie hier Arbeit gefunden haben – und groß werden will Bremen. Immerhin bringt jeder (Neu-)Bremer über den Länderfinanzausgleich knapp 6.000 Mark ins Stadtsäckel.
Das, was man die inneren Bindungskräfte der Stadt nennt, ihre urbanen Qualitäten müssen dafür gestärkt werden. Hamburg etwa macht dieser Tage Schlagzeilen mit noch größeren Einwohnerverlusten ans Umland als Bremen, die Stadtbevölkerung wächst dort dennoch.
Zum städtischen Ambiente gehören für Sieling ausreichend viele Eigentumswohnungen auch für den gehobenen Bedarf. „Die Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte sind die wachsenden Segmente in der Stadt“, weiß er. Die Nachfrage nach Stadtwohnungen, wie sie derzeit in der Vahr um das Herbert-Ritze-Bad entstünden, sei ungebrochen. Und auch die steuerlich begehrten Alten, die ihr Haus zugunsten einer Wohnung räumen wollen, müssten innerbremisch bedient werden. Insofern gehöre auch die Bebauung des Stadtwerders und der Hafenreviere wieder aufs Tablett. Genauso wichtig sei ein „politisch vernünftiges Verhältnis zur Einwanderung“. Auch Ausländer sind Fernwanderer und machen eine Stadt groß.
Bei aller Kritik am baupolitischen Instrumentarium der Koalition: An der Flächenpolitik will Sieling vorerst nicht rütteln. Erst vor kurzem hat die SPD dem Rahmenplan für die umstrittene Bebauung der Osterholzer Feldmark zugestimmt. Es soll lediglich vor Baubeginn der „Bedarf noch einmal geprüft werden“. Elke Heyduck
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