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In Hannover angekommen

■ Auf der Expo hat Bremen das große Los gezogen: Erschöpfte Besucher genießen die Verschnaufpause bei Kulturhäppchen / Scherf dankt Breuel für die „ganze Nation“

„Bremer kommen gut an“ – mit diesem Werbeslogan der BSAG begrüßt Expo-Chefin Birgit Breuel die Bremer Delegation zum Auftakt des Bremer Wochenprogramms im deutschen Pavillon. „Und Bremens Bürgermeister kommt auch gut an“, fügt sie hinzu. Fast unvermeidlich, dass sie dann noch auf den Schlüssel im Bremer Stadtwappen zu sprechen kommt und meint, mit ihrer Länderwoche hätten die Bremer nun den Schlüssel zur Welt und nicht nur zur Ausstellung. Und dass sie buten und binnen wagen und winnen, das würden die Bremer auch in Hannover mal wieder zeigen, da ist Breuel sich sicher.

Zu derlei anheimelnden Freundlichkeiten hat Breuel allen Grund: Bürgermeister Henning Scherf hat in der letzten Woche der Weltausstellung jede Menge Balsam für die Wunden der umstrittenen Managerin parat, die er in den letzen Monaten nach eigenem Bekunden „nicht immer beneidet“ hat. „Ich danke Ihnen für das, was Sie mit Ihrer tollen Arbeit für die ganze Nation geleistet haben“, sagt der Regierungschef des kleinsten Bundeslandes ganz staatsmännisch.

Für einen Erfolg hätte es genügt, wenn die halbe Nation Breuels Arbeit mit einem Besuch in Hannover gewürdigt hätte. Stattdessen kamen aber „nur“ 14 Millionen Menschen, davon ein Gutteil aus dem Ausland. Und statt der kalkulierten 400 Millionen machte das Unternehmen ein Defizit von 2,4 Milliarden Mark. Für Scherf nicht der Rede wert, im Gegenteil: „Ich entschuldige mich für all die Stänkerer, die Ihnen das Leben schwer gemacht haben“ und lässt Breuel damit wissen, wo die Schuldigen sitzen.

Bremen hat ja auch trotz allem gut lachen: Just zur eigenen Länderwoche gegen Ende der Veranstaltung kommt die Expo auf Touren. Bei rund 300.000 BesucherInnen pro Tag muss man vor den Pavillons bis zu vier Stunden Schlange stehen. Da verlieren viele die Lust und schlendern lieber einfach die Boulevards entlang. Die fünf Bremer Stadtmusikanten (“der fünfte ist unser Sockel“) vor dem deutschen Kultursaal lassen fast jeden kurz innehalten. Sogar Fünfjährige wissen auf Anhieb: Hier muss es um Bremen gehen und viele riskieren einen Blick auf das Kulturprogramm.

Das beginnt mit einem Medley aus dem Musical Jekyll&Hyde unter großem Jubel. Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) nennt es das „bestausgezeichnete“ Musical und lobt Bremens kulturelle Vielfalt – „obwohl unsere Haushälter den Kulturetat nicht gerade üppig ausgestattet haben“. Dass das Musical seine Subventionen aus dem Topf für Wirtschaftsförderung erhält, sagt er nicht. Und als er ein Beispiel für avantgardistische Kulturleistungen aus Bremen sucht, muss er ein etwas angestaubtes Beispiel heranziehen: Die ersten Drehversuche von Rainer Werner Fassbinder.

Aber immerhin, Bremer Kultur kommt auch ohne Millionenförderung gut an: Mit Auszügen aus ihrem Stück „Träume“ sprengt die Bremer Musical Company den August-Everding-Saal mit seinen 400 Stühlen, der Applaus tost auch von den Stehplätzen. Und für die Aufführung der Shakespeare-Company ist schon seit Wochen keine Karte mehr zu haben.

Das Vormittags-Programm dagegen ist so exklusiv, dass sogar die interessierte Presse ohne Einladung draußen bleiben muss. Zum Auftakt gibt es eine Werbe-Veranstaltung der Astrium GmbH (Ex-Dasa). Damit will sich Bremen als Zentrum der Raumfahrt „aufstellen“, wie der Bürgermeister zu sagen pflegt. Jan Kahlcke

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