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Berufs-Optimisten bald nachhaltig unter sich

■ Der Agenda 21 Prozess stockt / Bürgerschaftspräsident Weber ist immer noch nicht Schirmherr / Zugeständnisse gegenüber der Handelskammer, damit sie im Boot bleibt

Anfang Oktober kamen die übriggebliebenen Agenda-Aktiven noch einmal zusammen: Auf einem Workshop in Vegesack wollten sie von Christian Weber (SPD), Präsident der Bremischen Bürgerschaft und designierter Agenda-Schirmherr, hören, wie es weitergeht. Denn seit rund einem Jahr stockt der Prozess um die Nachhaltigkeit in der Stadt. „Die Infos laufen gegen Null“, motzte der Rest der Aktiven, die sich auch auf dem Vegesacker Workshop von der Politik wieder einmal versetzt fühlten. Denn Weber kam erst gar nicht, sondern schickte kurzerhand als Vertreter Rainer Oellerich, Direktor der Bürgerschaft – immerhin mit „ersten Überlegungen“, wie es weitergehen könnte.

Dabei hat man sich inzwischen schon ungefähr ein halbes Jahr Zeit gelassen mit dem Überlegen, nachdem im Mai herauskam, dass Bürgermeister Henning Scherf (SPD) seine Schirmherrschaft des zentralen „Runden Tisches“ loswerden und Christian Weber übertragen wollte. Doch auch nach fünf Monaten ist Weber noch nicht Schirmherr und das neue Konzept, das ursprünglich im März vorliegen sollte, ist immer noch nicht fertig. Von der Infrastruktur ist mittlerweile nichts mehr übrig: Der letzte Runde Tisch tagte schon vor anderthalb Jahren, die Agenda-Büros sind quasi aufgelöst und der Großteil der Aktiven hat sich abgewendet. Kurzum: Der Agenda-Prozess steckt nach wie vor im Koma.

Vielleicht will Weber doch nicht das ungeliebte Amt antreten, mutmaßt inzwischen Karin Mathes von den Grünen, nachdem Weber die Workshop-Besucher hat sitzen lassen und sich Noch-Schirmherr Scherf (SPD) zwei Wochen später in der Bürgerschaft zwar hämisch, aber nicht zur Sache äußerte. „Da wackelt was“, war auch der Kommentar in Aganda-Kreisen: „Das Einzige, was in den vergangenen fünf Monaten klar wurde, ist, dass der Senat die Agenda nicht ernst nimmt“.

Falsch, meint dagegen Rainer Oellerich: „Offiziell kann ich nur sagen, wir befinden uns im Klärungsprozess.“ Dabei soll es unter anderem um die Beteiligung der Ressorts, der Finanzen und um neue Strukturen gehen.

Erste Überlegungen für eine „Fortsetzung unter modifizierten Bedingungen“ hatte Oellerich auf dem Workshop bereits vorgestellt. Die Vorschläge sehen allerdings so aus, als ob das neue Agenda-Konzept nach den Wünschen der Handelskammer gestrickt würde, um die Wirtschaftsvertreter unbedingt im Boot zu halten.

Zum Beispiel soll die Handelskammer in Zukunft besser integriert werden. Es soll keine Mehrheitsentscheidungen am Runden Tisch geben, bei denen die Handelskammer leicht überstimmt würde. Und schließlich seien bestimmte Gruppen wie die Umweltverbände über- und andere wie die Kammern unterrepräsentiert.

Zwar ist auch den Umweltverbänden klar, dass es ohne Handelskammer nicht geht. Aber bislang war die Handelskammer am Runden Tisch immer „Bremser, Blockierer, und Kontrolleur, dass man keine kritischen Sachen macht“, moniert Peter Müller vom BUND.

In wie weit aber die bisherigen Verbände überhaupt weitermachen, ist derzeit fraglich. Wie die meisten räumt inzwischen auch die Angestelltenkammer ein, ihr weiteres Engagement zu prüfen. „Wir haben da ganz schön Kraft reingesteckt, und was dabei herausgekommen ist, ist desillusionierend“, gesteht Geschäftsführer Hans Endele. Nur: „Noch mag kein Verband den ersten Stein werfen und Schluss machen.“ Nur wenn die Finanzierung richtig steht, könne man neue und alte Aktivisten motivieren, meinen die meisten.

Im Rathaus allerdings ist man inzwischen guter Dinge, den Agenda-Prozess doch noch wiederbeleben zu können. „Das steht kurz vor Abschluss.“ Und: „Alles wird gut.“ pipe

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