: „Die deutsche Wirtschaft wird von Zuwanderung profitieren“
Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des deutschen Handwerksverbandes, über das Personalkarussell in der CDU und die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz
taz: Der neue CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer will die Wirtschaftskompetenz seiner Partei stärken. Fühlen Sie sich denn von der Union im Moment gut vertreten?
Hanns-Eberhard Schleyer: Eine Opposition ist nicht in der unmittelbaren Verantwortung, aber sie kann und soll dazu beitragen, dass sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Deutschland verbessern. Aus der Sicht des Mittelstandes ist das in den letzten zwei Jahren nicht sonderlich erfolgreich betrieben worden.
Die Bundesregierung hat eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die den Mittelstand eher be- als entlasten: Ökosteuer, Lohnfortzahlung, 630 Mark-Jobs. Wir hätten uns durchaus vorstellen können, dass wir von der Opposition mehr Unterstützung in der für den Mittelstand notwendigen Verbesserung der Rahmenbedingungen bekommen.
Meyer will die Basis „in der Diskussion mitführen“. Was würden Sie ihm in der Einwanderungsfrage auf den Weg geben?
Wenn die Menschen im Land immer älter werden und die Zahl der erwerbstätigen Deutschen immer stärker zurückgeht, kann man sich die Auswirkungen auf den Standort Deutschland und seine sozialen Sicherungssysteme vorstellen. Deshalb haben wir schon vor geraumer Zeit dazu aufgerufen, sich unvoreingenommen mit dem Thema Einwanderung zu beschäftigen. Wir sind der Auffassung, dass es ein Einwanderungsgesetz geben sollte und dass man sich darüber verständigen muss, eine bestimmte Zahl von Ausländern in Deutschland zuzulassen. Wir sind allerdings auch der Meinung, dass man gewisse Anforderungsprofile an diese Menschen stellen muss.
Wer darf denn künftig nach Deutschland kommen?
Ein Einwanderungsgesetz sollte nicht nur rein ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigen. In einer Welt, die immer mehr zusammenwächst, sollten wir die Bereitschaft mitbringen, Menschen aus anderen Kontinenten zuwandern zu lassen. Ich glaube, dass die deutsche Wirtschaft insgesamt davon profitieren wird. Wenn man sich die Attraktivität der USA anschaut, weiß man, dass dies auch etwas damit zu tun hat, dass man dort Menschen unterschiedlicher Herkunft und Profession in einem geregelten Verfahren zuwandern lässt.
Widerspricht dem nicht die Forderung von Unionsfraktionschef Merz nach einer „deutschen Leitkultur“?
Natürlich muss es eine Bereitschaft geben, sich in diesem Lande zurechtzufinden. Das fängt bei der Sprache an und hat auch etwas damit zu tun, dass man bestimmte Strukturen und Mentalitäten zu akzeptieren hat. Das kann nur im Zusammenwirken klappen. Aber dass wir hier eine bestimmte Gesellschaftsordnung haben, die wir auch aufrechterhalten wollen, weil sie etwas mit der Identität der Menschen zu tun hat, scheint mir unbestritten zu sein.
Sollte das Thema im Wahlkampf behandelt werden?
Es ist sicher nicht sinnvoll, es zu einem Thema zu machen, an dem sich die Stammtische austoben. Aber es ist ein Thema, das die Menschen bewegt. Deshalb haben alle Parteien eine gemeinsame Verantwortung, hier zu befriedigenden Regelungen zu kommen, und zwar möglichst bald. Schon in drei, vier Jahren werden wir alle Mühe haben, die vorhandenen Ausbildungsplätze besetzen zu können. Das ist eine Facette, die deutlich macht, dass wir uns darüber im Klaren sein müssen, wie wir mit dem Thema Einwanderung umgehen.
Fühlen Sie sich in der von der Regierung berufenen Zuwanderungskommission ausreichend vertreten?
Ich halte es für einen Fortschritt, dass es eine Einwanderungskommission gibt. An den Ergebnissen wird keiner vorbeikommen, und daraus ergibt sich ein politischer Handlungsdruck, den ich nur begrüßen kann. Das Handwerk ist unzufrieden damit, dass es in der Einwanderungskommission nicht berücksichtigt worden ist. Denn wir sind der größte Arbeitgeber. Wir halten es schon für einen Skandal, dass ausgerechnet diese für die Integration besonders wichtige Gesellschaftsgruppe außen vor geblieben ist.
Hat die Politik die Bedeutung des Mittelstandes nicht erkannt?
Man hat ganz offensichtlich bei der Zusammensetzung dieser Kommission nur den sehr eingeschränkten Blickwinkel gehabt, dass davon im wesentlichen die großen Unternehmen betroffen sind. Das Gegenteil ist aber richtig. Und es ist leider für mich wieder ein Beispiel dafür, dass man viel von Mittelstandspolitik spricht. Doch wenn es darum geht, tatsächlich Mittelstandspolitik zu betreiben, sind die Ergebnisse doch eher dürftig.
INTERVIEW: NICOLE MASCHLER
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