: Riss im AKW Biblis
Schadhafte Stelle im zentralen Sicherheitssystem bei Routineprüfung entdeckt. Dies könnte das Aus für Block A des Atomkraftwerks bedeuten. Reaktorsicherheitskommission muss jetzt prüfen
FRANKFURT/MAIN taz ■ Ein Haarriss im Kühlsystem könnte das vorzeitige Aus für den Atommeiler Biblis Block A bedeuten: nach mehr als 25 Jahren Laufzeit. Der Riss im zentralen Sicherheitssystem des AKW wurde im Rahmen der seit August laufenden Revision des Reaktors entdeckt, teilte der hessische Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) am Montag mit. Er geht davon aus, dass der Riss sich bereits beim Bau der Anlage 1973 gebildet habe.
Noch in diesem Monat wird sich die Reaktorsicherheitskommission (RSK) der Bundesregierung unter dem Vorsitz von Lothar Hahn, Wissenschaftler am Darmstädter Öko-Institut, mit dem Fall beschäftigen. Vertreter der Betreibergesellschaft RWE, die Revisoren und Gutachter des TÜV sollen angehört werden. Stelle sich im Rahmen dieser Untersuchung dann heraus, dass der Riss „betriebsbedingt“ entstanden sei, so Hahn, werde der Block A „auch nach einer Reparatur der schadhaften Stelle“ wohl nicht wieder ans Netz gehen können. Außerdem müssten in diesem Fall auch die Kühlsysteme ähnlicher Reaktoren – also die Mehrzahl der derzeit in Deutschland betriebenen – umgehend überprüft werden.
Der atompolitische Sprecher der Landtagsfraktion der hessischen Grünen, Alexander Müller, konstatiert bereits unabsehbare Folgen für die gesamte Atomindustrie: „Wenn der Betrieb des AKW tatsächlich Risse im Kühlsystem verursacht hat, muss der Reaktor endgültig stillgelegt werden – und baugleiche gleich mit ihm.“
RWE beeilte sich denn auch zu erklären, der Riss sei „herstellungsbedingt“ und befinde sich wohl seit dem Baujahr 1973 in der betroffenen Schweißnaht. Mit einer Reparatur könne der Schaden schnell behoben werden. Für den Sprecher von Bundesumweltminister Jürgen Trittin, Michael Schroeren, eine „kühne Behauptung“. Erst nach einer Überprüfung würden Urteile gefällt, sagte er gestern. Auch ein „herstellungsbedingter“ Defekt sei nicht automatisch schon ein Freibrief für den Weiterbetrieb von Biblis Block A, so auch Lothar Hahn: „Wenn ein solcher Defekt 27 Jahre lang unentdeckt bleiben konnte, sagt das doch etwas über die Qualität der Kontrollen im AKW aus.“ Möglicherweise müssten dann auch andere sicherheitsrelevante Bereiche in Biblis genauer untersucht werden. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und der BUND-Hessen forderten gestern die „endgültige Stillegung“ von Biblis Block A. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
wirtschaft & umwelt SEITE 9
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