Mit Richtmikro auf Pitbulljagd

Anwalt nennt Hamburger Hundeverordnung in einer Expertise „verfassungswidrig“: Rassenkatalog sei ein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz  ■ Von Kai von Appen

Der Senat gerät aufgrund der neuen Hamburger Hundeverordnung in Bedrängnis. So lehnt nicht nur die Hamburger Tierärztekammer die Verordnung als mit dem Tierschutzgesetz unvereinbar ab, der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat jüngst eine ähnliche Rassenverordnung für „rechtlich bedenklich“ außer Kraft gesetzt, und nun untermauert ein Rechtsgutachten des Hamburger Anwaltes Ulrich Wollenteit aus der Verwaltungsrechts-Kanzlei Michael Günther, dass die „Hamburger Hundeverordnung in wesentlichen Teilen verfassungswidrig“ sei.

Dass die auch vom Hamburger Verwaltungsgericht „aufgeworfenen Zweifel“ an der neuen Hundeverordnung noch nicht dazu geführt haben, sie außer Vollzug zu setzen, liegt vor allem daran, dass die Richter bislang nur über „anlassbezogene Verfahren“ zu urteilen hatten. Im Klartext: Über Halter, denen die Hunde zur Gefahrenabwehr entzogen worden waren, weil sie trotz der Verordnung oder sogar einer behördlichen Anordnung ihre Hunde ohne Leine und Maulkorb ausgeführt haben. „Wir haben noch keinerlei Verfahren, wo es um die Frage geht, ob eine Erlaubnis zum Halten eines Hundes erteilt oder nicht erteilt wird“, so der Sprecher der Hamburgischen Verwaltungsgerichte, Karsten Schulz. Damit ist Ende des kommenden Monats zu rechnen, wenn die Meldepflicht für Halter von Hunden der so genannten „Kategorie I“ abläuft und die Masseneinziehung beginnt. Schulz: „Dann gehts ans Eingemachte.“

Vor allem die neuerliche Rassenliste – die von einer „unwiderlegbaren Gefahrenvermutung“ für Pittbullterrier, American Staffordshire und Staffordshire-Bullterrier ausgeht und sie der „Kategorie I“ zuordnet – verstößt nach Auffassung des Verfassungsrechtlers Wollenteit gegen den „Gleichheitsgrundsatz“. Die geplante Einziehung dieser Hunde stelle zudem einen unverhältnismäßigen Eingriff in das von der Verfassung geschützte „Eigentumsrecht“ dar. In seiner 30seitigen Expertise stützt sich Wollenteit auf einschlägige Literatur von Tier-ExpertInnen und Verfassungsrechtlern sowie auf Grundsatzurteile.

So bestätigten alle wesentlichen Fachleute, dass es „wissenschaftlich unhaltbar“ sei, „sämtliche Tiere einer Rasse als gefährlich einzustufen.“ So sieht es auch das Innenmisterium von Nordrhein-Westfalen noch 1998, als es mitteilt: „Die Stigmatisierung bestimmter Hunderassen zu Kampfhunden ist absurd.“ Die Staatliche Pressestelle in Hamburg schreibt noch im März dieses Jahres zur damaligen Novellierung der Hundeverordnung: „Bei festgestellten Vorfällen seien „in erster Linie Mischlingshunde und Schäferhunde“ beteiligt gewesen. „Die Beteiligung von sogenannten Kampfhunden steht nicht im Vordergrund“.

Wollenteit hält es daher für völlig unakzeptabel, – wie VGH-Hessen – wonach der Bayrische Verfassungsgerichtshof die Priviligierung anderer gefährlicher Hunde für sachgerecht hält, nur weil sie in der Bevölkerung als Wach- und Gebrauchshund auf Akzeptanz stoßen. Zwar seien Deutsche Doggen und der Deutsche Schäferhunde sowie die Rassen Boxer, Dobermänner und Rottweiler als ebenso gefährlich anzusehen, wie die sogenannten Kampfhunde, doch weil diese traditionell in Deutschland gezüchtet und gehalten werden, würden sie daher eine höhere Akzeptanz genießen.

Indes nimmt die Jagd auf Kampfhunde in Hamburg immer absurde Formen an. In der Kieler Straße in Lokstedt blickt ein neun-jähriger Junge in den Lauf einer Polizeipistole, als das Ordnungsamt bei ihm und seiner Mutter einen zehnmonatigen Pittbullwelpen einkassieren wollte – der Hund hatte beim Klingeln gebellt. In St. Georg legen sich Behördenmitarbeiter mit Richtmikrophonen auf die Lauer, um auszuspionieren, ob sich in einer Wohnung tatsächlich noch ein Hund befindet. Und ein Hundehalter wurde aufgefordert, seinen Hund im Tierheim Süderstraße abzugeben – man hatte seine Schäferhund-Collie-Mischung für einen Staffordshire-Bullterrier gehalten....