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Kapernaum-Kirche vor dem Abriss

Evangelische Christen in Horn können Geld für Erhaltung ihres Gotteshauses nicht aufbringen  ■ Von Gernot Knödler

Das böse Wort „Abriss“ will keiner in den Mund nehmen und doch geht es genau darum: Die Kapernaum-Kirche gegenüber der Horner Rennbahn soll in drei bis fünf Jahren „abgebaut“ werden. „Auf lange Sicht würde die Verantwortung für das Gebäude die Kirchengemeinde ruinieren“, sagt Karl-Günther Peters, der Propst des Kirchenkreises Alt Hamburg. Anderswo sind Kirchen umgewidmet worden, ein Abriss dürfte für Hamburg seit dem Krieg jedoch eine Premiere sein.

Der Grund dafür scheint offensichtlich zu sein: Risse durchziehen den Boden des Kirchenschiffes durchziehen, ebenso wie die Wände der Sakristei. Der Baugrund ist so sumpfig, dass die Wände des Kirchenschiffes absacken und der Boden aufgetrieben wird – das ist zumindest die Theorie von Klaus-Peter Roggon, der Leiter der Bauabteilung des Kirchenkreises.

Die Kirche sei 1961 „mit einem mutigen architektonischen Ausdruck und einer mutigen Konstruktion“ errichtet worden, sagt Roggon. Leider sei beim Bauen gepfuscht und wegen leerer Kassen wenig in die Instandhaltung inves-tiert worden. Die Folge: ein Instandsetzungsbedarf von 1,7 Millionen Mark, der in zehn Jahren erneut fällig würde, weil manche der Schäden als irreparabel eingestuft werden.

„Man könnte natürlich technisch manches in den Griff bekommen“, meint Roggon. Es stellt sich jedoch die Frage, wer das bezahlen soll. Die Kirchengemeinde zu Hamburg-Horn jedenfalls nicht. Denn aufgrund sinkender Einnahmen und Mitgliederzahlen ist sie erst Anfang des vergangenen Jahres aus der Fusion der Kirchengemeinden Martin, Nathanael und Kapernaum gebildet worden.

Waren 1961 zwischen 60 und 70 Prozent der Horner Bevölkerung evangelisch, sind es heute noch 35 Prozent. Die Zahl der Gemeindemitglieder verringerte sich seit 1998 von 6600 auf 5700. Und die Steuerreform gibt dem Etat des Kirchenkreises den Rest: Von heute 39 Millionen Mark werde er auf 35 Millionen schrumpfen, schätzt Propst Petters.

Weil die Gemeinden ihre Gotteshäuser alleine nicht mehr tragen können, sind sie in einigen Stadtteilen dazu übergegangen, diese zu vermieten. In Altona gibt es eine Kultur-Kirche und in der St. Pauli-Kirche hat schon eine Modenschau stattgefunden. Die St. Petri-Kirche in Lokstedt wurde an eine koreanische Gemeinde vermietet und in der Gnadenkirche neben dem Karo-Viertel feiern Afrikaner den lieben Gott. „Da ist immer schwer was los“, sagt Pastor Hinrich Westphal von der nordelbischen Kirche.

Eine Disco oder einen Supermarkt kann sich die Horner Gemeinde allerdings in der Kapernaum-Kirche nicht vorstellen. Lieber reißt sie ab. Gleichwohl will die Gemeinde an der Rennbahnstraße präsent bleiben. Mit dem Verkauf eines Teils des Kirchengrundstücks will sie ein neues Gemeindezentrum mit PastorInnenwohnung auf dem restlichen Gelände finanzieren. Schwerpunktmäßig solle hier dann Jugendarbeit betrieben werden, kündigt Pastor Bergemann an – nach dem Konzept „Menschen statt Steine“.

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