: Deutschtümelei in der PDS?
Kritiker in der Partei werfen der PDS-Vorsitzenden Gabi Zimmer eine verfehlte Deutschland-Debatte vor. Reformer sprechen von einem befreienden Tabubruch
BERLIN taz ■ Gabi Zimmer liebt Deutschland. Einige Genossen jedoch lieben das gar nicht. Eben noch wunderte sich Zimmer, dass ihre Provokation auf dem Cottbusser Parteitag nicht zum Widerspruch reizte, schon hat die neue Parteichefin eine Debatte über das Verhältnis ihrer Partei zur Nation am Hals. Das sei ein Thema der Rechten, schimpfen ihre Kritiker, eine Frage aus dem letzten Jahrhundert, meinen andere, und einige in der Partei befürchten sogar, die PDS könne mit rechtsextremen Parteien verwechselbar werden.
Man könnte fast meinen, Gabi Zimmer hat das Wort von der deutschen Leitkultur in den Mund genommen. Dabei hat sie auf dem Parteitag vor zwei Wochen lediglich bekannt, dass sie Deutschland liebe. Reaktionen in der PDS auf dieses Eingeständnis später Zuneigung blieben so gut wie aus. Ein taz-Interview am Samstag hat die parteiinternen Kritiker an diesem Kurs aufgeweckt. Vielleicht liegt es daran, dass Zimmer darin noch einen Schritt weiter als bisher gegangen war und die PDS dazu aufgefordert hat, mit Deutschland und der deutschen Nation unverkrampfter umzugehen.
Kritik daran kommt aus drei sehr unterschiedlichen Lagern der PDS: von jungen Reformern, linken Kritikern des Reformkurses sowie dem kommunistisch-orthodoxen Flügel. Von den jungen Reformern haben sich die Bundestagsabgeordneten Angela Marquardt und Carsten Hübner sowie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende aus Sachsen-Anhalt, Matthias Gärtner, geäußert. Das Thema Nation betrachten sie als rückwärtsgewandt und als ein Hindernis auf dem Weg nach Europa.
Linke Kritiker an der Reformpolitik der PDS-Spitze fürchten, dass die Partei mit Bekenntnissen zu Deutschland ihre Anhänger in Westdeutschland verschrecke. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke aus Hamburg wirft der PDS-Vorsitzenden „Deutschtümelei“ vor. In einer Zeit, wo der Neofaschismus sich mit Deutschland-Parolen eine neue gesellschaftliche Basis verschaffe, sei Zimmers Botschaft genau die falsche, so Jelpke gegenüber der taz. Auch Sahra Wagenknecht, die für die Kommunistische Plattform im Parteivorstand sitzt, widerspricht scharf. Zimmer führe zur falschen Zeit eine falsche Debatte über falsche Begriffe.
Unterstützung erfährt Zimmer aus dem Reformerlager. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch mahnte die Kritiker, sie sollten die Kirche im Dorf lassen. Es gehe Zimmer nicht um eine rückwärtsgewandte Nationendebatte. Die Parteichefin wolle mit diesem „Tabubruch“ vielmehr die Voraussetzung dafür schaffen, über Themen wie die europäische Vereinigung oder die Regionalisierung Europas offener diskutieren zu können. Zimmers Vorstoß, so Bartsch zur taz, hätten viele Genossen als eine Befreiung empfunden. JENS KÖNIG
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