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Gegen ökonomischen Analphabetismus

Was wir wissen müssen (Teil 1): Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt plädiert für einen flächendeckenden Wirtschaftsunterricht an deutschen Schulen sowie bessere Vorbereitung der Auszubildenden auf das Berufsleben

In Deutschland herrscht in einem Besorgnis erregenden Ausmaß ökonomischer Analphabetismus. Nicht annähernd die Hälfte der deutschen Schüler konnte in einer repräsentativen Untersuchung der Universität Mainz mit wichtigen volkswirtschaftlichen Grundbegriffen etwas anfangen.

Dabei prägen Wirtschaft sowie Arbeitswelt das Leben jedes Einzelnen heute mehr denn je zuvor. Es ist unverantwortlich, dass die Schule diesen Bereich weit gehend ausklammert. Wenn die Schule auf das Leben vorbereiten soll, muss ökonomische Bildung unverzichtbarer Bestandteil ihres Kanons werden.

Ich kritisiere zwei gravierende Probleme: erstens die mangelnde Vorbereitung auf die berufliche Wirklichkeit. Die Berufsanfänger und Auszubildenden in den Betrieben klagen immer wieder, dass sie unzureichend auf die Berufswelt vorbereitet wurden. Der Übergang vom Bildungs- ins Beschäftigungssystem muss erheblich verbessert werden. Die Eltern bestätigen die Arbeitgeber, wenn zwei Drittel von ihnen die Berufsvorbereitung für die wichtigste Aufgabe der Schule halten.

Zweitens vermisse ich grundlegendes ökonomisches Wissen: Ohne ein tragfähiges Grundwissen über ökonomische Zusammenhänge bleibt die Welt der Wirtschaft ein Buch mit sieben Siegeln. Mit dubiosem ökonomischem Halbwissen wird dagegen auch noch klischeehaften Vorurteilen und Ideologisierungen Vorschub geleistet. Der Bürger des 21. Jahrhunderts muss sich aber auch über wirtschaftliche Fragen ein eigenständiges, gut fundiertes und souveränes Urteil bilden können. Ökonomische Bildung muss endlich als Teil einer zeitgemäßen Allgemeinbildung verstanden werden. Von diesem Ziel ist die deutsche Schule noch meilenweit entfernt. Die Kultusminister nicken zwar beifällig, wenn gefordert wird, dass in der Schule mehr wirtschaftliche Themen behandelt werden sollten. Meistens erfolgt dies jedoch nur am Rande anderer Fächer. Eine umfassende ökonomische Bildung kann so aber keinesfalls erreicht werden. Werden am Rande des Erdkunde-, Geschichts- und Deutschunterrichts oder der Sozialkunde ökonomische Gesichtspunkte „angeschnitten“, ist dies kein Ersatz für ein Fach „Wirtschaft“. Wir brauchen einen kontinuierlichen und systematisch aufbauenden Unterricht, der sich nur in einem regulären Fach „Wirtschaft“ realisieren lässt. Ich plädiere deshalb für ein eigenständiges Fach „Wirtschaft“ – an allen allgemein bildenden Schulen und ab Klasse 5. Entscheidend ist dabei aber auch, dass die Wirtschaftslehrer für diese Aufgabe gleichermaßen fachlich, didaktisch und methodisch vorbereitet sind.

Ohne das reguläre Unterrichtsfach gibt es jedoch keine darauf zugeschnittenen Studiengänge und auch keine diesen Namen verdienende Lehrerausbildung. Die Länder Bayern und Thüringen zeigen, dass es auch anders geht. Dort gibt es eigenständige Unterrichtsfächer wie „Wirtschaft und Recht“, in denen kompetent wirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt werden. Warum können das andere Bundesländer nicht auch einrichten?

Die junge Generation, für die Schlagwörter wie „new economy“ oder „Aktienoption“ zum festen Begriffsinventar geworden sind, wird dabei einen Unterricht einfordern, der genauso spannend ist wie die aktuellen Börsennachrichten.

Gerade das Fach „Wirtschaft“ kann durch Projektarbeit, Fallstudien, Planspiele, Simulationen und auch Übungsbetriebe äußerst interessant sein. Zudem eignet sich dieses Fach durch Betriebserkundungen, Praktika in Unternehmen und durch die Mitwirkung von Unternehmensvertretern im Unterricht in besonderer Weise für eine direkte Kooperation von Schulen und Betrieben. DIETER HUNDT

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