: Alle in der Gewinnzone
Mit dem Internetservice www.freefund.com können sich Studierende einen Überblick im Stipendienwirrwarr verschaffen. Die kostenlose Vermittlung soll den Anbietern viel Geld einbringen
von CHRISTIAN FÜLLER
Das gehörte lange zur mühsamsten Beschäftigung von Studenten: Stipendien suchen.
Meist wussten die ehrgeizigen Studiosi gar nicht genau, welche Geldgeber überhaupt existieren. Stipendien-Übersichten – Fehlanzeige. Es hieß, nach Adressen zu fahnden, Telefonate mit unfreundlichen Sachbearbeitern zu führen, um dann umso freundlichere Bittbriefe zu versenden. Was noch lange kein fertiger Antrag war. Die Stipendiensuche ist ein lästiges Geschäft.
War ein lästiges Geschäft. 20 StudentInnen haben nun eine neue Ära eingeleitet. Sie sammelten seit April alle in Deutschland verfügbaren Stipendien, hakten bei den Sponsoren nach und stellten eine Stipendien-Datenbank ins Netz. Unter www.freefund.com kann sich nun jeder Studi, egal ob Studienanfänger oder Promovierter, über 3.000 Stipendien informieren. Kostenlos.
Der neue Studi-Service, seit einem halben Jahr in Schweden und neuerdings auch in Großbritannien und Frankreich abrufbar, ist freilich kein Freundschaftsdienst, sondern ein Geschäft. „Ab 2002 wollen wir in der Gewinnzone sein“, sagt Irene Oppertshäuser, sales director bei Freefund.com. Hinter dem Infodienst für Stipendien steckt der schwedische Risikokapitalgeber Speed Ventures als Gesellschafter. Und der will, dass das investierte Abenteuerkapital wieder Geld zurückbringt.
Für Studis ist die kühle ökonomische Seite von freefund zunächst kein Thema. Sie können aus der einst so fitzeligen Stipendienfahndung eine Abenteuerlust machen. Für BWLer zum Beispiel, die den Sprung übers Vordiplom nicht schaffen, bietet die „Allgemeine Treuhand in Hamburg“ eine Geldspritze an. Politikwissenschaftler können unter 34 Bewerbungsoptionen wählen: Ein Congressional-Fellowship in Washington D. C. in Höhe von 90.000 Mark beantragen? Oder doch, heimatbezogener, eine „Beihilfe für Studierende aus dem Herzogtum Coburg-Sachsen-Gotha“ in unbekannter Höhe? Und die „Yak-Kamel-Stiftung“ in Eutin fördert „veterinärmedizinische Arbeiten zu Yaks und Bergkamelen in den Bergregionen Asiens.“
Aber wie macht Freefund aus Yak-Stipendien Geld? „Mit Marketing und Kommunikation“, verrät Sales-Direktorin Oppertshäuser. Auf den Freefund-Seiten flimmern gut bezahlte Produktinformationen. Um Firmen auf dem studentischen Markt bekannt zu machen, gibt es eine andere Strategie: Ein Unternehmen lobt einen Betrag aus, der als Stipendium über Freefund ausgeschrieben wird. Die Industrie tritt als Gönner auf. Und Freefund wird für die Stipendienvergabe honoriert. 100.000 Mark konnte die europäische Freefund-Holding so an neuen Unternehmensstipendien einwerben. Nicht viel angesichts von in Europa abrufbaren rund 80 Milliarden Mark an Stipendien.
So kümmerlich der Anteil von Freefund-Stipendien auch sein mag: Die neue Geschäftsidee birgt Sprengstoff für das verkarstete deutsche Hochschulwesen. Nicht nur, dass der quicke Service im Netz die drögen Studentenwerke auf Trab bringen wird. Mittelfristig könnten sich leicht zugängliche und neue Firmenstipendien auch auf die Studiengebührenfrage auswirken.
Die Stipendienvergabe stammt zwar aus einer anderen, einer angelsächsischen Hochschulkultur. Aber mit Freefund wird diese Idee auch hierzulande populär werden: sich das Studium stiften oder beleihen lassen – um sich für das gute Geld eine teure Uni zu leisten. Die Verbreitungszahlen jedenfalls von Freefund sind rasant. In Schweden haben die akademischen Fundraiser binnen sechs Monaten ein Viertel der 300.000 Studierenden in ihre Kundenkartei akquiriert. Und in Frankreich und Deutschland, wo das Unternehmen gerade online ging, warten große Märkte: Zusammen studieren vier Millionen junge Leute in den beiden Ländern.
Die deutschen Freefunder lassen mit noblem Understatement offen, was ihr strategisches Ziel ist. Ein Blick in die USA zeigt, wohin die Reise gehen soll. Der dortige Stipendiensammler www.studentadvantage.com zählt mittlerweile zu den 50 am schnellsten wachsenden Technologieunternehmen Neuenglands. Studentadvantage hat mehrere Millionen Studierende als Mitglieder und bietet kostenlos Informationen über 17.000 Stipendiengeber mit einem Volumen von 18 Milliarden Dollar – darunter allerdings auch Studiendarlehen, für die Zinsen zu zahlen sind. Das Ziel der Berater ist es, ihren Studenten ein Rundum-sorglos-Paket anzubieten.
„Wir wollen Studenten helfen, besser informierte Lebensentscheidungen zu treffen“, umwarb Firmenchef Raymond Sozzi jüngst seine Studenten. Gegenüber amerikanischen Börsenanalysten sagt er noch mehr: „Wir haben gerade erst damit begonnen, an der ungeheueren Kaufkraft des studentischen Marktes zu nippen.“ Auf diesen Geschmack will Freefund auch in Europa kommen.
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