: Freude am eigenen Widerstand
Das B-Movie gehört diesen Monat den Frauen: Der Zusammenschluss „Kollisionen“ zeigt zum Auftakt Arbeiten der feministischen Aktionistin Valie Export ■ Von Sonja Roczek
An den Anfang ihrer Reihe im B-Movie unter dem Titel Kollision haben die Veranstalterinnen, ein Projekt von Frauen mit unterschiedlichen künstlerischen und forschenden Ansätzen, Film-Arbeiten der österreichischen Künstlerin Valie Export gesetzt. Als Frau, die die Kunst für einen möglichen Ort hält, „um die befreiung der wirklichkeit von männlichen ideologien voranzutreiben“, wurde sie 1968 bekannt durch ihre „Aktion Tapp- und Tastkino“.
Das „Kino“ bestand aus einem Blechkasten, an dessen Vorderseite zwei Öffnungen für die Hände ausgespart waren und einem Vorhang davor: als Markierung des Eingangs in den Kinosaal. An der Hinterseite, der Stelle der Leinwand, war der Kasten offen. Die Körperhaut, die Brust der Akteurin bildeten die Leinwand. Die grundsätzliche Intention dieser Aktion war, mit der sexuellen Objekthaftigkeit der Frau zu brechen. Als Alternative und Akt der Befreiung gestaltete sie als Frau und Künstlerin den Körper selbst und präsentierte ihn gerade im Rahmen der Öffentlichkeit. Dies aber nicht im Sinne einer Befriedigung von Voyeurismus, sondern als Kritik an der Manipulation menschlicher Bedürfnisse. In diesem Sinne hob das Tapp- und Tastkino die Schranken zwischen Privatem und Öffentlichem auf.
Heute startet die Reihe Kollision mit Videos von Aktionen Valie Exports aus den 70er und 80er Jahren. Die Künstlerin selbst musste ihr Kommen leider wegen Krankheit absagen. Syntagma von 1983 reiht sich in ihre „Expanded Cinema“-Aktionen und bricht mit den Gesetzen der Linearität. Elemente aus sehr verschiedenen künstlerischen Bereichen und Medien lassen als neue Zusammenordnung (Syntagma) im Film Erinnerungen aufleben und neue Assoziationen entstehen. Körperaktionen zeigt Aktionen von Valie Export aus den 70er Jahren, in denen sie die verschiedenen gesellschaftlichen Unter-drü-ckungsmechanismen und deren historische Manifestation analysiert.
Am kommenden Wochenende werden ihre Unsichtbaren Gegner zu sehen sein. Exports erster, 1976 fertiggestellter Spielfilm zeigt die Aneignung der Kunst durch die Frau – als Ort ihrer Artikulationsmöglichkeit. Dies wird vor allem in den Szenen deutlich, in denen die Hauptfigur Anna weibliche Unterdrückungsformen videodokumentarisch aufarbeitet und in der bildenden Kunst analysiert.
Den Film-Arbeiten Valie Exports folgen in den weiteren Novemberwochen im B-Movie Arbeiten von Frauen, die im Sinne des Offenen Projektes Kollision andere Wirklichkeitsoptionen verfolgen. Zu den Offenen Tagen ab dem 16. November sind Künstlerinnen, Forscherinnen, Archive und Gruppen eingeladen, ihre Arbeiten und Theorien vorzustellen und zusammenzutragen. Unter dem Arbeitstitel Hübsch haben die Veranstalterinnen außerdem selbst Super 8-Filme produziert, in denen sie etwa die Kunsthalle, die City Nord oder St. Petersburg zu Orten ihrer Untersuchungen herrschaftlicher Verhältnisse und lustvoller Irritierung werden lassen. Und am 18. November sucht ein inszenierter, experimenteller Vortragsabend nach Schnittstellen in den Beiträgen von Spezialistinnen, die an unterschiedlichen Stellen der Gesellschaft sitzen und deren Themen sich auf der Oberfläche nicht zu berühren scheinen.
Die durch ihr Wuppertaler Tanztheater berühmt gewordene Pina Bausch inszeniert Bewegung in fragmentarisch gehaltenen Bildern, Gesten und Figuren und übersetzt dabei ihre choreographischen Ansätze in den Film Die Klage der Kaiserin, der noch nie zuvor in Deutschland zu sehen war. Und am Ende des Monats schließlich werden Langeweile, Politik und Sprache im Postmodernen Konsumentinnen-Theater (Schmuddel und Kapisten) zur Kollision geführt.
Syntagma + Körperaktionen, heute, 20.30 Uhr; Unsichtbare Gegner, Sa + So, 20.30 Uhr; Hübsch 3, 6, 7, 9. + 11.11., 20.30 Uhr; St. Petersburg 2000 (ein Reisebericht), 12.11., 20.30 Uhr; Kulturträgerinnen-Vorträge, 18.11., 20.30 Uhr; Die Klage der Kaiserin, 19.11., 20.30 Uhr; Offene Tage, 16., 19. + 23.11., ab 14 Uhr; Postmodernes Konsumentinnen-Theater für Konsumenten, 25. + 26.11., 20.30 Uhr, B-Movie
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