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Jülich forscht, USA verdienen

Stiefkind Brennstoffzelle: Verschlafen Wirtschaftsministerium und deutsche Unternehmen die zukunftsweisende Technologie? Amerikaner gehen selbstbewusster mit neuer Technik um

Die staatliche Förderung der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien durch die Bundesregierung nimmt seit Jahren stetig ab. Noch 1995 war Deutschland eine der führenden Nationen im Forschungsbereich Brennstoffzellentechnik. Danach stellte das Bundesforschungsministerium die Förderung ein. Die Förderung seitens des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) blieb eher gering. Eine Produktförderung findet überhaupt nicht statt.

Das und die fehlende Risikobereitschaft deutscher mittelständischer Betriebe, in die neue Technologie zu investieren, führte dazu, dass sie sich nicht so recht durchsetzen konnte, meint Matthias Altmann von der L-B-Systemtechnik GmbH in München. Amerikanische mittelständische Unternehmen würden wesentlich selbstbewusster mit neuen Technologien umgehen.

Eine Brennstoffzelle ist eine Vorrichtung zur direkten Umwandlung von chemischer Energie in elektrische Energie, vergleichbar mit einer Batterie. In der Brennstoffzelle wird durch einen elektrochemischen Prozess ohne Verbrennung und daher ohne schädliche Emissionen Strom erzeugt. Brennstoffzellen arbeiten mit Wasserstoff als Energieträger. Der lässt sich gut speichern, transportieren und vielfältig einsetzen, beispielsweise als Treibstoff für Kraftfahrzeuge oder zur Stromerzeugung. Sogar mobile elektronische Kleingeräte wie Laptops oder Handys könnten Ressourcen sparend mit Energie versorgt werden. Vor allem in der Stadt ist der Antrieb von Fahrzeugen mit Brennstoffzellen eine Alternative, denn hier machen sich geringere Schadstoff- und Lärmbelastung unmittelbar bemerkbar.

Das beweist ein Test mit wasserstoffbetriebenen Stadtbussen in Erlangen. Die Gewinnung des Rohstoffes Wasserstoff erfolgt durch Wasser-, Wind- oder Solarenergie aus regenerativen Quellen.

In den USA, Kanada und Japan arbeiten Unternehmer häufig aus finanziellen Gründen mit dem Verteidigungsministerium zusammen. Normalerweise verstoßen Projekte mit über fünfzigprozentiger staatlicher Förderung gegen das internationale Handelsabkommen. Dies gelte jedoch nicht für Militärforschungsgelder. Matthias Altmann würde jedem in dieser Branche aktiven Unternehmen aus diesem Grund „zu einer Zusammenarbeit mit den Militärs raten“, denn auch in der Verteidigungsindustrie bestehe großes Interesse an der neuen Technologie.

Viele Forschungsergebnisse aus dem Bereich Brennstoffzellentechnik stammen vom Forschungszentrum Jülich, das mit Firmen wie VW, Audi und Opel zusammenarbeitet. Oftmals kooperieren große Konzerne aber mit ausländischen Firmen. So arbeitet BMW mit einem kanadischen Unternehmen an einem brennstoffzellenbetriebenen Aggregat als Ersatz für die herkömmliche Autobatterie. Frei nach dem Motto: Jülich forscht und Amerika verdient. „Bei der Produktentwicklung fühlt sich manche Firma allerdings von der Bundesregierung im Stich gelassen“, so Altmann.

Georg Menzen vom BMWi sieht den Grund dafür darin, dass die deutsche Industrie sich in diesem Bereich für das Arbeiten mit amerikanischer Technologie entschlossen hat. „Spätestens nach dem Zusammenschluss von Siemens und der amerikanischen Firma Westinghouse hätte es keinen Sinn mehr gemacht, parallel dazu deutsche Entwicklungen zu fördern.

In anderen Bereichen hätten sich aber im letzten Jahr interessante Verhandlungen ergeben, so Menzen. „Im Heizungsbau tätige Firmen wie Vaillant und Viessmann setzen dabei auf Brennstoffzellen und streben nach Einigungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium.“

ANDREAS BRÜNING

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