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Mann über Bord

Zebu Kluth, der künstlerische Leiter des Theaters am Halleschen Ufer, hat jetzt seine Kündigung erhalten. Stellenstreichen dient als Ersatzhandlung für mangelnde Konzepte

Leicht hatte es das Theater am Halleschen Ufer (THU) nicht in den letzten Jahren. Das Haus mit dem Charme einer Mehrzweckhalle im sozialen Wohnungsbau konnte auf keinen atmosphärischen Bonus setzen wie das Hebbel-Theater oder die Sophiensaele. Allein das Programm von Tanz-, Theater- und Performance-Gruppen, die sich oft spartenübergreifenden Recherchen verschrieben hatten, prägte das Profil. Das Haus, mit einem Etat von 1,2 Millionen ausgerüstet, ist den geförderten freien Gruppen verpflichtet und auf deren Produktionsmittel angewiesen. Je mehr Haushaltssperren und generelle Kürzungen die Bewilligung von Projektgeldern nach hinten schoben, desto weniger Planungsmöglichkeiten hatte das Theater. Das beklagen Intendant Zebu Kluth und Dramaturg Dirk Schlüter schon lange. Künstler längerfristig aufzubauen und Kompanien zusammenzuhalten war unter diesen Umständen schwer möglich.

Vor vier Jahren hegten das nahe Hebbel-Theater mit seinen internationalen Gastspielen, das THU und das gegenüber liegende Theater am Ufer, in dem Andrej Woron mit seiner Teatr Kreatur seit 1987 arbeitet, eine gemeinsame Vision: sich mit dem Potsdamer Platz im Rücken und Kreuzberg vor ihnen zu einem kleinen kulturellen Zentrum mausern zu können, das altes und neues Berlin, Konsummeile und Kiez verbände. Kreuzberg hätte Mitte gegenüber wieder punkten können. Das Hebbel-Theater gewann zwar einige der Herren aus dem Kreis der Investoren am Potsdamer Platz als Mitglieder seines Freundeskreises, die mit ihren Gästen das Publikum verstärkten. Mehr aber ist nicht geworden aus dem Plan gemeinsamer Profilierung, die Pilger der Shopping-Mall wurden nicht zu Besuchern von Tanz und Avantgarde, Bezirk und Stadt zeigten kein Interesse an dieser Ressourcenbündelung. Die ökonomische Einengung der Theater verhinderte Investitionen in eine neue Form von Öffentlichkeitsarbeit.

Jetzt heißt es gar: Mann über Bord im Bermudadreieck. Zebu Kluth ist zum 31. Juli 2001 gekündigt worden. Die Begründung bezieht sich auf seine Einstellung als Schauspieldramaturg, der jetzt, da das THU sich vor allem als Tanz- und Performancehaus einen Namen gemacht hat, nicht mehr gebraucht werde. Das ist absurd, geht die Begründung doch von einem Spartendenken aus, das die Programmgestaltung immer überwinden wollte. Hinter der Kündigung und Streichung seiner Stelle wird vielmehr ein verzweifelter Sparzwang sichtbar.

Das THU gehört zur Berliner Kulturveranstaltungs GmbH (BKV), die auch Träger des Podewils und des Puppentheaters „Schaubude“ ist. Für das Programm im Podewil sind dem Geschäftsführer Wilhelm Grossmann schon die Mittel für das Videofest und kulturelle Austauschprogramme gestrichen worden. Die BKV soll nun auf Wunsch des Senats im nächsten Jahr auch das Theater am Ufer übernehmen, ohne aber zusätzliche Mittel für die Lösung der Probleme des Theaters zu erhalten. Fünf Monate im Jahr spielt das Teatr Kreatur dort, die übrige Zeit stehen die Räume, die zudem mit baulichen Mängeln belastet sind, leer. Aus der Summierung dieser nicht mehr bezahlbaren Aufgaben der BKV, vermutet Zebu Kluth, sei wahrscheinlich die Entscheidung seiner Kündigung gewachsen. Stellenstreichen als Ersatzhandlung für mangelnde Konzepte.

Damit geht der schleichende Abbau der Infrastruktur außerhalb der freien Häuser weiter. Im Hebbel-Theater reichen die Mittel schon seit über zwei Jahren nur für einige Monate des Spielplans. Da erscheint es, bei allem Zwang zum Sparen, doch als eine absurde Verschleuderung von Ressourcen, alles nur mit halber Kraft zu bespielen.

KATRIN BETTINA MÜLLER

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