: Der Feind ist Bayer
Drei norddeutsche SPD-Länderchefs wollen künftig stärker zusammenarbeiten ■ Von Peter Ahrens
Da sitzen sie, als wären sie die drei Musketiere und hätten das Motto: Einer für alle, alle gegen einen. Der eine Böse ist der Süden. Der ist allein schon deswegen böse, weil die drei aus dem Norden sind. Dann ist der Süden noch von Übel, weil er immer so viel Geld bekommt und der Norden nicht. Also muss eingestimmt werden in den Klagechor der SPD-regierten Länder. „Bei der Infrastruktur sind wir in den vergangenen Jahren ausgesprochen mies behandelt worden“, zieht Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis einen Flunsch, „bei Verkehrsinvestitionen war es das seit langem schwächste Jahr für den Norden, und bestimmte Projekte in der Forschung landen ohnehin immer im Süden.“ Niedersachsens Regierungschef Sigmar Gabriel stellt fest, dass „in den USA vor allem Süddeutschland wahrgenommen wird“, und Hamburgs Bürgermeis-ter Ortwin Runde will da nicht abseits stehen: „In der Vergangenheit hat es bestimmte Gewichtsbestimmungen in Richtung Süddeutschland gegeben.“
Also will man im sozialdemokratisch regierten Norden jetzt „an einem Ende eines dicken Taus“ ziehen und zwar gemeinsam. Das hat man gestern bei einer Sitzung aller drei Landeskabinette in Hamburg vereinbart. Mit dem Ziel, das Simonis formuliert: „Hauptsache, es bringt Kohle.“ Gabriel nennt das: „Wir haben heute einen großen Schritt nach vorn gemacht“, bei Simonis dagegen ist es „ein großer Sprung nach vorn“. Man schreitet und springt künftig zum Beispiel bei der LehrerInnenausbildung und -einstellung im Gleichtakt, hat man sich vorgenommen.
„Wir werden demnächst händeringend LehrerInnen suchen, vor allem im Bereich der Naturwissenschaften“, sieht die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin die „große Pensionierungswelle“ in den kommenden Jahren über norddeutsche Schulen und Universitäten hereinschwappen.
Beim Ausbau der Autobahn 20 – „die Verkehrsprobleme in unserer Region werden auch von der jetzigen Bundesregierung konstant unterschätzt“ – braucht Simonis nicht lange um Zustimmung bei ihren Kollegen werben. Der müsse dringend her. Die Weiterführung der Autobahn über die Elbe ist für Gabriel „von Bedeutung“, und die A 26 von Stade nach Hamburg sei ebenfalls „ein zentrales Projekt“.
Wo man schon so gut zusammenarbeitet und gemütlich beieinander sitzt, schlagen sich die drei auch noch wegen des Airbus A3XX gegenseitig auf die Schultern, loben die Elbvertiefung, die bei Runde „Anpassung des Elbfahrwassers“ heißt, haben die Förderung des „naturverträglichen Tourismus im Nationalpark Wattenmeer“ im Auge und sind der Ansicht, dass das mit der Abwanderung von Familien und Gutsituierten aus Hamburg in den Speckgürtel des Umlandes „gar nicht so dramatisch ist, auch wenn ich verstehen kann, dass der Hamburger Bürgermeister seine Steuerzahler gerne in der Stadt behalten will“, wie Simonis findet. Runde nickt. Solange die jungen Familien nicht nach Süddeutschland abwandern, ist das in Ordnung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen