: „Nicht alles sofort“
Lore Maria Peschel-Gutzeit, Hamburgs Justizsenatorin, zur kommenden Bundestagsentscheidung um „Eingetragene Lebenspartnerschaften“
Interview: JAN FEDDERSEN
taz: Freitag wird die rot-grüne Koalition im Bundestag ihren Gesetzentwurf zur „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“ gesplittet zur Abstimmung stellen – einmal jenen Teil, der von Länderinteressen unberührt bleibt, zum anderen den, der die Zustimmung des Bundesrats braucht. Warum?
Lore Maria Peschel-Gutzeit: Der Grund, warum die Abstimmung im Bundesrat unsicher ist, liegt darin, dass nach den Landtagswahlen im vergangenen Jahr weder die unionsgeführten noch die SPD-, rot-grün oder SPD/FDP-regierten Länder eine Mehrheit haben. Es kommt also stets auf die großen Koalitionen an, deren Abstimmungsverhalten schwer zu prognostizieren ist.
Auch innerhalb der Union gibt es Stimmen, die nichts gegen zumindest leichte Verbesserungen für die Situation homosexueller Paare hätten.
Ja, aber diese sind in der Minderheit. Deshalb musste der Regierungsentwurf gesplittet werden – sonst wäre das gesamte Reformvorhaben im Bundesrat gefährdet. Unangefochten von der Länderkammer wird die Regierung nun ein Gesetz verabschieden, das Homosexuelle von einem Großteil ihrer rechtlichen Diskriminierung befreit.
Sie selbst haben ja auch einmal gesagt, Schwule und Lesben soll man ersparen, im Falle der Liebe zu heiraten.
Ich habe gesagt, ich verstehe es nicht, warum Homosexuelle so sehr für das Recht auf Heirat kämpfen, denn ihnen bleibt das Debakel etwaiger späterer Scheidungen erspart. Aus meiner Zeit als Familienrichterin weiß ich nämlich, dass Trennungsverfahren oft einen Vorgeschmack auf die Hölle bilden können.
Und woher rührt Ihr Gesinnungswandel?
Ich habe mich von Betroffenen überzeugen lassen, dass es diskriminierend ist, ihnen die Möglichkeit zu verweigern, dieselben Fehler wie heterosexuelle Menschen zu machen. Ich habe deswegen gesagt: Wenn ihr das unbedingt wollt, dann will ich mich dafür einsetzen.
Im gesamten Reformwerk gab es ohnehin Tabus. Die Adoption von Kindern beispielsweise.
Ja, und das finde ich zur Zeit noch richtig. Wenn zwei Erwachsene sich füreinander entscheiden, ist das eine Sache. Aber bei Adoption geht es um Dritte – um Kinder, die schutzlos sind.
Warum sollen Homosexuelle sich nicht verantwortlich um Kinder kümmern können?
Das können sie bestimmt. Aber was die rechtliche Zuordnung von Kindern anbetrifft, muss die Wirkung eines Partnerschaftsgesetzes abgewartet werden, und zwar auch die Erfahrungen, die wir mit homosexuellen Männern und Frauen machen, die das Sorgerecht für ihre leiblichen Kinder zugesprochen bekommen.
Sie waren selbst Familienrichterin. Haben Sie einen solchen Fall einmal entschieden?
Ja, als Richterin in einem Senat am Oberlandesgericht haben wir als Erste entschieden, dass die Homosexualität der Mutter kein Grund ist, ihr das eigene Kind zu entziehen. Aber ich weiß, welche Resonanz dies damals bei meinen Kollegen ausgelöst hat, dass wir ein Kind seiner dann in einer lesbischen Beziehung lebenden Mutter zugesprochen haben. Ich hatte die Verhältnisse genau überprüft und fand, dass das Kind bei ihr am besten aufgehoben wäre.
Aus den USA wissen wir, dass Homosexuelle ebenso für ein Kind Verantwortung übernehmen können und wollen wie Heterosexuelle.
Das will ich nicht bestreiten, im Gegenteil. Doch bei uns müssen wir uns an die Änderung der Lebensverhältnisse erst gewöhnen. Es wäre naiv, anzunehmen, dass jeder Mensch, der die SPD oder die Grünen wählt, auch mit einem Lebenspartnerschaftsgesetz einverstanden ist.
Was muss man hier tun?
Überzeugungsarbeit. Wir dürfen nicht gleich alles fordern und durchsetzen wollen. Es gibt viel mehr Vorurteile und Bedenken als wir meinen. Für einen Erfolg brauchen wir ein etwas langsameres Tempo – sonst haben es die Reformgegner umso leichter.
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