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Adiós amigos!

Die CSU war bekannt für ihre engen Kontakte zur Wirtschaft. Seit ihrer Kampagne gegen die Einwanderung ist es damit vorbei – und das Ende ihrer Herrschaft absehbar

Der „Bayernkurier“ist bankrott,die CSU fast pleite,Stoibers Ruf alsMacher lädiert

Die Journalisten und der bayerische Ministerpräsident sind sich einig: Die CSU ist und war immer an der Macht in Bayern und wird es immer bleiben. Die ganze Welt ändert sich, nur in Bayern hält sich eine scheinbar gottgewollte Ordnung in alle Ewigkeit. Ministerpräsident Edmund Stoiber feiert anlässlich der Herbstklausuren der bayerischen Landtagsparteien schon mal den nächsten Wahlsieg, auch wenn der Wahltag erst im Jahr 2003 ansteht. Die SPD wählt einen neuen Fraktionsvorsitzenden, einen neuen Parteichef und eine neue Generalsekretärin, zieht mutig einen klaren Strich unter die Ära Renate Schmidt und erntet dafür spaltenweise Hohn und Spott auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung nach dem Motto: Die SPD hat keine Chance, und sie nutzt sie nicht.

Stoiber wiederum hat seinen politischen Scheitelpunkt noch nicht erreicht. Aber erste Warnsignale, dass es bald so weit sein könnte, gibt es schon. Der Bayernkurier ist bankrott, die CSU in ernsten finanziellen Schwierigkeiten, Stoibers Ruf als Macher angekratzt. Dennoch, die CSU fühlt sich mehr als sicher. „Na klar“, sagen schon mal hochrangige Mitarbeiter aus Staatskanzlei und Landtagsfraktion, „nichts hält ewig, wir werden unsere absolute Mehrheit auch mal verlieren, vielleicht in 15 bis 20 Jahren.“ Das heißt nie, denn zwei Jahrzehnte sind in der Politik so viel wie ein Geozeitalter in der Erdgeschichte. Diese Selbstsicherheit könnte sich jedoch schnell als trügerisch erweisen. Bayern ist unter seiner traditionsglitzernden Oberfläche Vorreiter in der Globalisierung und unterliegt dem rasanten Wandel unserer Zeit genauso wie alle anderen Regionen. Wichtige Grundlagen, die in der Vergangenheit das Imperium der CSU zusammengehalten haben, erodieren langsam, aber sicher und untergraben die Fundamente der christsozialen Macht.

An erster Stelle steht die Wirtschaft. Die schwärzesten Schwarzen aller deutschen Konservativen hatten – wen wundert's? – in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren den reinsten real existierenden „Staatsmonopolkapitalismus“ der Bundesrepublik errichtet. Davon profitierte lange der größere Teil der einheimischen Bevölkerung. Das bayerische Geflecht aus Wirtschaft und Politik ist legendär, „Amigo“ bis vor kurzem ein Ehrenname für jeden CSU-Politiker. Allein, die Fassade bröckelt. Die großen Unternehmen wie Allianz und Münchener Rück, wie Siemens und BMW sind längst Global Player. Ihre Interessen gehen weit über die der Bundesrepublik hinaus, von Bayern ganz zu schweigen. Die Zentrale des Energiekonzerns Bayernwerk steht mittlerweile in Düsseldorf, nennt sich e.on, stellt Gunda Röstel als Managerin ein und baut 750 Arbeitsplätze in bayerischen Kraftwerken ab. Der Durchgriff von Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium in und auf die Unternehmen gelingt nicht mehr. Seit den Skandalen um die Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS) und die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) dürfte die Zeit endgültig zu Ende sein, in der abgehalfterte CSU-Spitzenpolitiker jederzeit mit hoch dotierten Posten in privaten oder staatseigenen Unternehmen versorgt wurden.

Der bayerische Ministerpräsident hat es noch nicht gemerkt, aber die Interessen von Wirtschaft und CSU divergieren immer weiter auseinander. Die Wirtschaft braucht ein liberales, freiheitliches, interkulturelles Umfeld, das Menschen aus anderen Regionen oder Kulturen nicht nur duldet, sondern anzieht. Vertreter von BMW betonen das mittlerweile auf gemeinsamen Pressekonferenzen mit der grünen Landtagsfraktion im Bayerischen Landtag. Der Spagat, den die CSU vom derben Stammtisch bis hin zur Neuen Mitte vollziehen muss, um ihre absolute Mehrheit zu halten, wird immer größer. Der 90er-Jahre-Slogan „Laptop und Lederhose“ wirkt im 21. Jahrhundert altbacken. Der Laptop mag noch für ein paar Jahre hingehen, bevor ihm das UMTS-Bildtelefon den Rang abläuft, die Art der Hose ist spätestens seit der Debatte um Green Card und Einwanderung obsolet. Bayern wird sich schon bald mit dem indischen Sari auseinander setzen müssen.

Ein zweiter wichtiger Punkt: Durch die Globalisierung ändert sich auch in Bayern die Zusammensetzung der Bewohner. Zwar kamen auch nach 1945 Millionen Flüchtlinge nach Bayern, aber die waren deutsch bis auf die Knochen und dankbar für die angebotene Heimat. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs setzte parallel zur Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer eine deutsche Binnenwanderung ein, die unvermindert anhält. Der Dreiklang aus Binnenwanderung, Einwanderung und Einbürgerung wird auf die Dauer zwangsläufig mehr Melodien in das eintönige bayerische Wählerverhalten bringen. Katholische, ethnisch reine Bayern sind schon heute nur noch die größte Minderheit in einer ständig bunter werdenden Mischung.

Eine Kehrtwendung in der Einwanderungspolitik würde die CSU allerdings zerreißen. Sie bleibt bei diesem Thema Gefangene ihrer Stammtischparolen und eingefleischten Gewohnheiten. Selbst bei der Diskussion um die Green Card hat die CSU bisher nie eine zunehmende Einwanderung befürwortet, sondern jeden Green-Card-Inhaber gegen einen Asylbewerber aufgewogen. Die CSU, die sich zu zeitlich befristeten Arbeitseinsätzen von nützlichen Ausländern bekennt, fordert bis heute ein „Einwanderungssteuerungs- und -begrenzungsgesetz“. Währenddessen holt sich Edmund Stoibers Minenhund Friedrich Merz mit seinem von der CSU abgekupferten Wort von der „deutschen Leitkultur“ bei Wirtschaftsverbänden und Medien jeder Couleur eine blutige Nase.

Katholische, ethnisch reine Bayernsind schon heuteeine Minderheitim Lande

Von der UNO über die OSZE bis zum BDI wird die notwendige jährliche Zuwanderung grob auf eine halbe Million Menschen geschätzt, will die Bundesrepublik ihren wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand halten. Diese Zahl wird sich in den nächsten Jahren tiefer und tiefer in das gesellschaftliche Bewusstsein eingraben, um zuletzt praktische Politik zu werden. Der bayerische Innenminister Beckstein kann seinen Kampf gegen den Zuzug von Ausländern nur um den Preis wirtschaftlicher Einbußen gewinnen. Dieser Preis ist den Wählern langfristig mit Sicherheit zu hoch.

Noch bei der Landtagswahl im September 1998 haben mehr als 50 Prozent der Erstwähler Stoiber und der CSU ihre Stimme gegeben. Sie haben aber nicht „Bayern, Bayern über alles“ gewählt, sondern die Partei, von der sie sich am ehesten Lehrstellen und Jobs erwarteten. Sobald sie sehen, das können andere noch wirksamer ohne heimattümelndes Brimborium, stoßen sie die CSU so schnell ab wie ein Aktienpaket, das keinen Gewinn mehr verspricht. Nicht nur die Zeiten, auch die Wähler sind unberechenbar geworden. Wir leben in einer Situation, in der die herkömmliche politische Fantasie – ähnlich wie 1988/89 – der sich rasant verändernden Wirklichkeit nur hechelnd hinterherlaufen kann. Welches Szenario sie auch entwickeln mag, die Zukunft wird überraschender, brutaler und schrecklich nervenaufreibend sein. CHRISTOPH NICK

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