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Der Wahlsieger

Der grüne Kandidat Ralph Nader hat sein Ergebnis vervierfacht, aber vielleicht Gores Sieg verhindert

von BERND PICKERT

Wenn es einen Präsidentschaftskandidaten gibt, der sich ohne Wenn und Aber als Wahlsieger fühlen darf, dann ist es der grüne Kandidat Ralph Nader. Mit mehr als 2,6 Millionen Stimmen hat der 66-jährige ehemalige Verbraucherschützer sein Ergebnis gegenüber 1996 fast vervierfacht. Das allerdings sind nur rund 3 Prozent der abgegebenen Stimmen, und so hat Nader sein Ziel trotzdem verfehlt: Wäre er landesweit auf über 5 Prozent gekommen, wäre ihm künftig öffentliche Wahlkampfhilfe sicher gewesen.

Gereicht haben die für Nader abgegebenen Stimmen immerhin, um Al Gore die Wahl zu vermiesen. Aggressiv hatten Gores Wahlkämpfer Naders Anhänger davor gewarnt, mit ihren „verschenkten“ Stimmen einen Wahlsieg Bushs erst zu ermöglichen. Genau das könnte geschehen sein. In New Hampshire etwa hat Bush die vier Wahlmännerstimmen mit 273.000 Stimmen für sich gewinnen können – Gore und Nader gemeinsam kommen auf rund 288.000. In Oregon, dem neben Florida am längsten offenen Bundesstaat, lag Bush zwar gestern nach Auszählung von 75 Prozent der abgegebenen Stimmen mit rund 2 Prozent vor Gore – die 50.000 Stimmen für Nader aber hätten Gore für einen komfortablen Vorsprung gereicht und ihm 7 weitere Wahlmännerstimmen eingebracht. Wären allein diese beiden Staaten an Gore gefallen, hätte er 271 Wahlmännerstimmen gehabt und auch ohne die Stimmen aus Florida gewonnen.

Nader hat auch während der Wahlnacht immer wieder erklärt, er habe mit einer möglichen Niederlage Al Gores nichts zu tun. Wenn der Vizepräsident nicht in der Lage sei, einen vor sich hin stammelnden Gouverneur aus Texas zu besiegen, dann sei das Al Gores Problem und nicht seins. Lediglich 40 Prozent seiner Stimmen seien im Übrigen von den Demokraten geklaut – weitere 20 Prozent kämen von Republikaner-Wählern, weitere 40 Prozent kämen von US-Amerikanern, die anderenfalls überhaupt nicht wählen gehen würden. Vor allem aber sei die Alternative Gore oder Bush so unattraktiv, dass es im Übrigen auch egal sei, wer von beiden gewinne.

Es sind nur die drei Bundesstaaten, in denen Nader die Rolle des Königsverhinderers gespielt haben könnte. Wenn aber genau diese drei tatsächlich den Ausschlag dafür geben, dass statt dem Abtreibungsbefürworter, ehemaligen Umwelttheoretiker und Sozialstaatsverfechter Al Gore der Hinrichtungsrekordhalter, Steuerkürzer und Abtreibungsgegner George W. Bush ins Weiße Haus einziehen darf, dann dürfte Naders Ausflug in die Wählergunst des liberalen Lagers mit dem Jahr 2000 beendet sein.

Es ist ein Dilemma: Nader hat zu wenig gewonnen, als dass sich sein Wahlergebnis als neue politische Dynamik für alternative Inhalte interpretieren ließe. Aber er hat gerade zu viel gewonnen, als dass seine Politik ohne Folgen bliebe. Radikalität aber lebt sich am schönsten in der Einflusslosigkeit. So könnte, was die nationale Geburtsstunde einer neuen grünen Bewegung sein sollte, zu ihrem Begräbnis werden. Welcher Nader-Wähler will sich schon gern vorwerfen lassen, Bush ins Präsidentenamt befördert zu haben?

Da das Wahlsystem der USA es kleinen Parteien unmöglich macht, ihre Wählerstimmen etwa in Parlamentsmandate umzusetzen, erweist sich die Wahlbeteiligung einer 10-Prozent-Partei als überflüssige Veranstaltung. Ihr einziges Ziel kann es nur sein, entweder bundesstaatlich Fuß zu fassen, etwa durch Erfolge bei Gouverneurswahlen, oder aber Druck auf die großen Volksparteien auszuüben. Naders Ziel war die Verankerung einer dritten Kraft in der US-Politik.

Das Problem, da hat Nader Recht, ist Al Gores Schwäche. Nur nutzt es ihm wenig, das richtig zu analysieren. Damit die grüne Partei in den USA gedeihen kann, müssten die Demokraten zuerst außer Gefahr sein. Die Wahlergebnisse signalisieren nicht, dass das der Fall sein könnte.

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