: Kulturkaufoper
Von Norbert Lammert bis Peter Dussmann, alle wollen sie Barenboim und die Staatsoper Unter den Linden retten
Peter D. betreibt ein „Kulturkaufhaus“ in Berlin-Mitte und hat daher aus geschäftlichen wie geografisch nahe liegenden Gründen ein Interesse an einer blühenden Kulturlandschaft im Herzen der Hauptstadt. Nun empfiehlt er sich als deren Retter und bietet sich als potenzieller Sponsor an, der Staatsoper Unter den Linden und deren Chefdirigenten Daniel Barenboim finanziell aus der Klemme zu helfen. Dabei geht es um einen jährlichen zusätzlichen Betrag von rund 3,5 Millionen Mark innerhalb der nächsten drei Jahre, mithin um 11,5 Millionen DM. Es geht um die außertarifliche Aufbesserung von Musikergehältern oberhalb der Demarkationslinie von zehntausend Mark im Monat. Es geht darum, die Berliner Staatsmusikanten den Bayerischen in München gleichzustellen. Es geht also im Kern um Geld, das Prestige bedeutet und mithelfen soll, eine strategische Entscheidung zu befördern.
Der Kulturkaufhaus-Unternehmer, der mit Reinigungsfirmen im Rottweiler Raum zu Geld kam, will allerdings die 11,5 Millionen Mark nicht einfach spenden, wie es ein Mäzen täte. Stattdesen lautet seinVorschlag, er, besser seine Firma, die dafür Steuervorteile erhält, will jährlich eine Million geben – unter der Voraussetzung, dass die Staatsoper ihre Eintrittspreise so erhöht und sich so vermarktet, dass eine zusätzliche Million hereinkommt, und andere, bislang noch nicht akquirierte Geber sollen noch eine Million draufsatteln. Fehlen dann nur noch 500.000 DM von der öffentlichen Hand – vorausgesetzt, die Unternehmen in Berlin zeigen sich bei der Staatsoper zahlungswilliger als beim Zwangsarbeiter-Fonds. Bislang konnte der Freundeskreis der Staatsoper unter Hans-Dietrich Genscher gerade mal 300.000 DM zusammenklappern.
Im Prinzip, sagt auch Kultursenator Christoph Stölzl, ist der Vorstoß begrüßenswert, auch wenn er auf tönernen Füßen steht. Doch selbst wenn er klappen würde, wäre damit die ganze, sich in den kommenden Jahren verschärfende Finanzierungskrise der drei Berliner Opernhäuser nicht behoben. Auch hilft der Geldzufluss in keiner Weise, Berlin mehr und bessere Opernaaufführungen zu verschaffen, was geboten wäre. Daniel Barenboim, der Hauptnutznießer des Vorschlags, erklärte denn auch flugs, worum es eigentlich geht: um das Herbeiführen einer „politischen Entscheidung“ – für eine „Hauptoper“ in Berlin, die dann eben auch die meiste Staatsknete erhält. Und das, dreimal darf man raten, könnte wohl nur „seine“ Staatsoper Unter den Linden sein. Damit wäre dann die bislang international führende Deutsche Oper aus dem Rennen in der Champions-League der Musiktheater.
Ob auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine solche Hauptoper will? Ihr kulturpolitischer Sprecher Norbert Lammert sprach sich jedenfalls vorgestern für eine Bundesbeteiligung an der Staatsoper aus und will dafür sogar den unterschriftsreifen Hauptstadtvertrag noch einmal aufschnüren. Es bleibt allerdings auch hier fraglich, ob künftige Strukturen im Hinblick auf das gegenwärtig vorhandene Personal zurechtgeschneidert werden oder ob nicht sachliche Kriterien den Ausschlag geben sollten. Der Berliner Medienzirkus kreist um Barenboim, Thielemann, Zimmermann und zielt doch auf Strukturveränderung. Oder umgekehrt. Mit jeder Teilentscheidung für das eine oder andere „Modell“ allerdings neigt sich die Waage zu Gunsten oder Ungunsten des einen oder anderen Führungskandidaten.
FRIEDER REININGHAUS
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