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Die Webcam hängt im Büro

Vor laufenden Digitalkameras können demnächst ausgewählte Jungkreative eine Firma gründen. Das Pilotprojekt, finanziert von verschiedenen Berliner Start-up-Machern, stellt Büroräume, Computer, Wohnung und auch Gehalt zur Verfügung

von MARTIN REICHERT

„Berlincubate“ ist die Fortsetzung von Big Brother mit Berliner Mitteln: Ab 21. November werden sechs junge ExistenzgründerInnen beim Aufbau einer eigenen Internetfirma live übertragen, natürlich im Internet. Arbeiten und wohnen werden sie allerdings nicht im Container, sondern in den neuerdings schwer angesagten Stalin-Bauten an der Frankfurter Allee. Die Webcams sind auch nicht auf dem Klo installiert, sondern nur in den Büroräumen.

Für ein halbes Jahr stellt „Berlincubate“ in Friedrichshain einen so genannten Inkubator zur Verfügung, einen Brutkasten, der wie im wirklichen Leben ebenfalls durchsichtig ist: Büroräume, Infrastruktur, Wohnung, Gehalt und Beratung durch erfahrene Macher, alles für lau. Sogar Essen gibt es. Die unter den bislang über 300 Bewerbern auszuwählenden 6 Glücklichen dürfen selbstverantwortlich arbeiten und sind Vorstände ihrer eigenen Aktiengesellschaft.

Die Risikokapitalgeber stehen laut Pressemitteilung von Berlincubate bereits Schlange, um ihr Geld an die „intelligenteste Firmengründung des Jahres“ loszuwerden.

Hinter dem Pilotprojekt stehen verschiedene Berliner Start-up-Macher, der Business-Angel Peter Jungen und die Agentur Friends & Sons. Die haben sich eine Menge Sponsoren rangezogen, darunter Fujitsu-Siemens und die Investitionsbank Berlin. Der Berliner Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) wurde als Schirmherr gewonnen.

Wenn jetzt alles so gut läuft, wie es sich abzeichnet, können alle Beteiligten gut verdienen: Die jungschen Unternehmer entwickeln erst mal eine ganz tolle Geschäftsidee. Mit einer Million Mark „Spielgeld“ wird die Umsetzung angeschoben. Jeden Tag wird dann Internettagebuch geführt und in die Webcam gelächelt, die Berater kommentieren jeden Schritt öffentlich.

Menschen mit ungebrochenem Faible für den Neuen Markt sollen begeistert werden, damit sie Aktienanteile erwerben. Die Jungunternehmer selbst erhalten Anteile je nach Dauer ihrer Teilnahme und ihrer Leistung. Zu Beginn wird die Aktienmehrheit der Teilnehmer jedoch treuhänderisch verwaltet: Ganz wie bei Big Brother wird auch hier mit vorzeitigen Abgängen gerechnet.

„Es soll nur um das Team gehen“ sagt Initiator Albrecht von Sonntag, der Berlincubate als ein Mittel zur Gründungsförderung verstanden wissen möchte. Bleibt jedoch noch abzuwarten, wie sich der Kampf um Aktienanteile auf das Betriebsklima auswirken wird.

Gewinnen werden bei erfolgreicher Umsetzung auf jeden Fall die Macher von Berlincubate: Die beabsichtigen nämlich ein vom „Umfang noch nicht geklärtes“ Aktienpaket der Neugründung zu behalten. Bewerbungsschluss für gründungswütige Jungunternehmer ist der 12. November, jetzt noch gute Chancen haben speziell Frauen im Allgemeinen sowie ExpertInnen in den Bereichen Naturwissenschaft, Informatik und Finanzen. Marketingfreaks gibt es anscheinend schon genug. Auch Teilzeitkreative mit Volkshochschul-HTML-Kurs seien gewarnt: Die Berlincubate-Macher verzeichnen bereits jetzt „eine gute Qualität an Menschen“, etwa promovierte Wirtschaftsprüfer. Computer-Zladdis und Schwarzwald-Barbies haben keine Chance. Die potentiellen Gewinner müssen also bereits zu den Gewinnern gehören.

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