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Frauen sind die Lösung

Es gibt viele Wege, die Fachkräfte-Lücke im IT-Bereich mit qualifizierten Frauen zu schließen. Das zeigt die Bilanz der milliardenteuren EU-Initiative „Now“. Nun muss sich nur noch jemand für die Ergebnisse der Modellprojekte interessieren

aus Berlin BEATE WILLMS

„Wer braucht schon Männer?“, heißt es in einer Stellenanzeige des Telekommunikationskonzerns Alcatel. Auch von anderen Unternehmen werden Frauen längst gezielt umworben. Tenor: In den IT-Branchen gehe nichts mehr ohne ihr Know-how, ihre Kreativität und ihre Persönlichkeit. Diese neue Ansprache hat allerdings wenig mit neuen Unternehmenskulturen, aber viel mit fehlenden Fachkräften zu tun. Und so richtig erfolgreich ist sie auch nicht: Allein in diesem Jahr verringerte sich in Deutschland der Anteil von Frauen in Multimediaberufen von 40 auf 25 Prozent, im gesamten IT-Bereich liegt er bei 14 Prozent. Dass es auch anders geht, zeigen die Ergebnisse der Gemeinschaftsinitiative Beschäftigung-Now der Europäischen Union, die letzte Woche auf einer Konferenz in Berlin vorgestellt wurden.

Mit einem Budget von rund einer Milliarde Euro war die Initiative das teuerste Frauenförderungsprojekt der EU. Und für viele Teilnehmerinnen an den beinahe 1.800 größtenteils transnationalen Projekten auch eine Art Green Card für den Arbeitsmarkt. Die erfolgreichsten Projekte hatten fast immer auf beiden Seiten angesetzt: bei den Entscheidern in den Unternehmen und bei den Frauen. Die einen mussten erst auf das Potenzial gestoßen werden: Als sie Computerkurse für arbeitslose Frauen anbieten wollte, habe der Bürgermeister abgewehrt: „Arbeitslose Frauen? Haben wir nicht“, berichtete Heide Corolezis von der österreichischen Initiative Teknowa. „Wir mussten die Veranstaltungen ins Gemeindehaus verlegen, damit er sehen konnte, wie viele kamen.“ Die anderen, die Frauen, ließen sich begeistern, als sie ihren eigenen Zugang zum Medium suchen durften. Das Modell, zu dem auch Unternehmenspraktika gehörten, erwies sich als so gelungen, dass das österreichische Arbeitsamt es ins Regelangebot aufgenommen hat.

Einen völlig anderen Ansatz wählten die Initiatoren des deutschen Projekts Safety women. Sie boten eine Ausbildung für Wach- und Sicherheitsberufe an mit sehr viel höheren Qualifikationen, als sie üblicherweise in dieser Branche zu finden sind: Die Frauen lernten auch Sprachen sowie den Umgang mit Computern. Inzwischen werden die neuen Qualifikationen in vielen Stellenanzeigen gleich mitverlangt. Andreas Inhuber von der Arnolds Sicherheits GmbH: „Wenn von sozialer Kompetenz und Konfliktfähigkeit die Rede ist, bewerben sich automatisch mehr Frauen.“

Wenig zufrieden zeigten sich die Teilnehmerinnen der Konferenz allerdings mit den Perspektiven. Man habe das Gefühl, das Rad immer wieder neu erfinden zu müssen, hieß es in der Abschlussdiskussion. Zu wenige Unternehmen würden sich für die Ergebnisse der Modellversuche interessieren. Ohne Umsetzung gehe es aber nicht weiter.

Helga Classen, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des IT-Konzerns SAP, hielt dem entgegen, die Now-Initiative habe sich zu stark an kleinen und mittleren Unternehmen orientiert. Diese seien aber ohnehin selten die Vorreiter einer breiteren Entwicklung. In den großen Konzernen gebe es längst entsprechende Programme. Bei den Einstellungen funktionierten diese auch. „Die Frauen gehen erst auf dem Weg an die Spitze verloren.“

„Allein mit rationalen Argumenten kommen wir nicht weiter“, fasste Barbara Helfferlich, Mitglied der EU-Beschäftigungskommission, zusammen. Ohne politische Unterstützung und Gesetze ändere sich nichts. Und es sei der falsche Ansatz, sich darauf zu konzentrieren, die Frauen an die Branchen heranzuführen. „Sie sind die Lösung, nicht das Problem.“

Dass die Alcatel-Stellenanzeige die Antwort auf die selbst gestellte Frage schuldig bleibt, ist übrigens dem vehementen Widerstand der Männer zu verdanken. Aus dem von den Frauen in der Unternehmenskommunikation bevorzugten ersten Entwurf strichen sie den Satz „Wir nicht.“ einfach heraus.

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