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Wahlzettel im Zwielicht

Wann ist ein Loch ein Loch? Wissen das Menschen oder Maschinen besser? Wo wird überall nachgezählt? Die Beantwortung dieser Fragen entscheidet darüber, wer nächster US-Präsident wird

von BERND PICKERT

In Florida werden die Stimmzettel der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Dienstag gezählt und gezählt. Bush oder Gore, immer noch einmal, erst per Maschine alle sechs Millionen Stimmzettel im Bundesstaat (Vorsprung Bush nach dieser Zählung: 288 Stimmen laut der Agentur AP), dann stichprobenartig manuell in einigenWahllokalen von Palm Beach County und noch einmal per Maschine im ganzen Bezirk – und jetzt, so will es die Wahlkommission des Bezirks, sollen alle über 425.000 abgegebenen Stimmen in den 531 Wahllokalen von Palm Beach County noch einmal per Hand ausgezählt werden.

Dagegen haben die Anwälte des Wahlkampfteams des republikanischen Kandidaten George W. Bush Rechtsmittel eingelegt: „Das Gore-Team will in ausgewählten und überwiegend demokratisch dominierten Wahlbezirken immer noch einmal zählen, wo die Neuzählung unerklärt große Veränderungen zu ihren Gunsten erbracht hat“, protestierte der Bush-Beauftragte und frühere Außenminister James Baker gegen die Handzählung. Er warf den Demokraten indirekt Wahlbetrug vor, in dem er herausstellte, Maschinen seien zwar nicht unfehlbar, aber immerhin objektiv und unparteiisch. Sein demokratischer Gegenspieler Warren Christopher hingegen erinnerte daran, dass Bush selbst als Gouverneur von Texas 1997 ein Gesetz unterzeichnet habe, das in Streitfällen eine Nachzählung per Hand vorsieht. Heute findet vor einem Bundesgericht in Miami eine Anhörung statt.

Fast eine Woche nach dem Wahltag geht es noch immer um die Entscheidung der US-Präsidentschaft. Wer im Bundesstaat Florida zum Gewinner erklärt wird, bekommt die 25 Wahlmänner zugesprochen und hat damit die Mehrheit im Wahlmännergremium, das den Präsidenten wählt. Tatsächlich hat die erste Runde der manuellen Zählung in den ausgewählten Wahllokalen deutlich andere Ergebnisse als die maschinelle Zählung gezeigt. Denn während eine Maschine nur klar und sauber gelochte Wahlzettel als gültig anerkennt, können die menschlichen Zähler auch jene Wahlzettel werten, deren Stanzung aufgrund abgenutzter Lochmaschinen oder mangelnder Kraftanstrengung der Wähler für die Maschine nicht zu erkennen ist. So ist ein Wahlzettel, dessen ausgestanztes Plättchen an den oberen Enden festhängt – ein so genannter hängender Chad – gültig. Hängt ein Plättchen an einer Seite fest, ist das ein „schwingender Chad“ und zählt ebenfalls – nur wenn auch gegen eine Lichtquelle kein Loch zu erkennen und der Zettel lediglich ausgebeult ist oder wenn mehrere Löcher gestanzt sind, ist die Stimme ungültig. Die Maschinen hatten bei der ersten Zählung in Palm Beach County 30.000 Stimmen als ungültig gewertet.

Eigentlich sollte spätestens am Freitag, nach Ablauf der Frist für den Eingang von Briefwählerstimmen aus Übersee, Klarheit über den Wahlsieg herrschen. Nachdem nun mit der Forderung einiger demokratischer Wähler nach Neuwahlen wegen verwirrender Wahlzettel einerseits und dem republikanischen Begehren auf Ende der Zählerei andererseits gleich zwei Verfahren anhängig sind, ist dieser Termin erneut unsicher geworden – zudem die Republikaner sich vorbehalten haben, auch in knapp von Gore gewonnenen Bundesstaaten Neuauszählungen zu verlangen.

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