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Ganz gewaltig sprachlos

■ Filme und Diskussionen über Gewalt? Erwachsenensache, finden Jugendliche

Eigentlich hatten sich die Erwachsenen vorgestellt, sie wollten mal mit Jugendlichen über das Thema Gewalt ins Gespräch kommen. Ganz locker und mal nicht in der Schule. Als Teil der Aktion „Gemeinsam gegen Gewalt“ haben Schul- und Innenbehörde an drei Tagen 4000 Jugendliche ins Cinemaxx eingeladen und zeigen ihnen Filme zum Thema Jugendgewalt (taz hamburg berichtete).

Gestern gab es den Film Oi! Warning, in dem Janosch, der vom bürgerlichen Leben eines Gymnasiasten angeödet die Schule schmeißt, zu seinem alten Freund Koma nach Dortmund geht. Der ist inzwischen Skinhead geworden und lässt sich gern bewundern. Ja-nosch versucht das auch, verliebt sich dann aber in Zottel, der im Bauwagen wohnt und Feuer speit.

Und nachdem Koma Zottel totgetreten und Janosch Koma mit einem Stein erschlagen hat, sollten eigentlich die SchülerInnen im Cinemaxx den professionellen Gewaltverhinderern und -verfolgern von Polizei, Amt für Schule, HSV-Fanprojekt, Gericht und Initiativen über ihre Erfahrungen mit Gewalt erzählen. Die Jugendlichen aber hatten gar keine Lust, über ihren Alltag zu reden, sondern wollten eher etwas aus dem eines Menschen vom Film erfahren. Da hatten sie viele Fragen an Regisseur und Schauspieler: Wie kommt man denn so zum Film? Haben die Schauspieler sich nicht geschämt, sich auszuziehen?

Warum viele von ihnen nach Filmende nicht gejubelt und geklatscht, sondern gebuht haben, brachte Regisseur Dominik Reding nicht aus ihnen heraus. Nicht mit Provokationen – „Ich mag so ein Verhalten gar nicht“ – und nicht mit Kumpelei – „Ich war früher auch immer froh, wenn es an einem Schulvormittag mal was anderes gab als Mathe und Deutsch“.

Auch Michael Grüner vom Amt für Schule wollte niemand helfen, als er die Jugend um Ideen bat, wie man eine Gewaltsituation erst gar nicht so weit kommen lasse wie in dem Film. Und so unterhielten sich Erwachsene über Probleme der Jugend, und die Jugend hörte sich das an. Sie sprachen über Cooling Down, damit aus einem Streit keine Schlägerei wird, über Gewalt, hinter der oft nur Angst steckt, und den Mut sie zu zeigen und über Schläge, die mit Schlägen zu beantworten kein Naturgesetz sei.

Da schaltete sich dann doch ein Schüler zum Thema ein: „Wenn man angelabert wird und auf die Fresse kriegt, dann muss man doch zurückschlagen.“ Applaus. Nein, sagen die Pädagogen. „Sie sind doch nicht in der Situation“, sagt Tobias Altub aus der zehnten Klasse der Gesamtschule Fischbek. „Man verteidigt sich, oder man kriegt aufs Maul.“ Über die gutgemeinte Veranstaltung sagt er: „Der Film war etwas langatmig, das Ende fand ich übertrieben.“

Was an diesem Vormittag über Gewalt gesagt wurde, habe er schon alles gewusst. „Aber wenn es irgendeinem etwas Neues gebracht hat, hat es sich doch gelohnt.“ Ein guter Anfang sei das wohl gewesen, aber er findet beispielsweise Sportveranstaltungen sinnvoller. Mehr tun und weniger reden.

Sandra Wilsdorf

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