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„Durchbruch zur Rechtssicherheit“

Ein US-Bundesgericht hat gestern die Sammelklagen gegen deutsche Industrieunternehmen zurückgewiesen. Doch bis die NS-Zwangsarbeiter ihr Geld erhalten, kann es noch dauern. Noch stehen die Verfahren gegen Banken und Versicherungen aus

von NICOLE MASCHLER

Unsicherheit ist ein ständiger Begleiter beim Entschädigungs-Marathon. „Die Abweisung der Klagen in den Zwangsarbeiterprozessen wäre ein Durchbruch auf dem Wege zur Herstellung von Rechtssicherheit“, sagte der grüne Rechtsexperte Volker Beck gestern. Doch als er seine Pressemitteilung versandte, hatte Richter William Bassler im amerikanischen Newark (US-Bundesstaat New Jersey) die Verfahren gegen deutsche Industrieunternehmen bereits abgewiesen. Klarheit gab es seit Beginn der Verhandlungen im vergangenen Jahr nur selten – weder in der Frage der Rechtssicherheit noch in Hinblick auf die Zahlungszusage der deutschen Wirtschaft.

Nach Paragraf 17 des Stiftungsgesetzes können Gelder erst ausbezahlt werden, wenn die Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen hergestellt ist. Ein Argument, das die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Monaten immer wieder gerne bemühte. Entsprechend vorsichtig drückte sich gestern auch Stiftungssprecher Wolfgang Gibowski aus. „Im Prinzip“ seien die Klagen zurückgewiesen, sagte Gibowski der taz.

Ein klarer Richterspruch aus New Jersey, hatten sich Experten im Vorfeld der Entscheidung geäußert, könnte für die Gerichte in New York einen wichtigen Präzedenzfall schaffen. Die Klagen waren in drei Verfahren zu den Bereichen Industrie, Versicherungen und Banken zusammengefasst worden. Auf diese Weise sollten sie die US-Gerichte schneller zurückweisen können. In New Jersey waren mit 46 Fällen die meisten Klagen anhängig.

Ursprünglich sollten die drei Sammelklagen zeitgleich abgewiesen werden, um die Auszahlungen nicht weiter zu verzögern. Die Sammelklage gegen Versicherungen wird wohl noch in diesem Monat abgewiesen.

Die für die Banken zuständige Richterin äußerte jedoch Anfang November Bedenken, ob die im Entschädigungsfonds vorgesehene Summe für den Ausgleich von Vermögensschäden ausreiche. Ein Gutachterbericht soll erst im Januar vorliegen. Doch Grünen-Politiker Beck ist optimistisch: „Ich hoffe, dass von dem gestrigen Urteil ein Signal ausgeht“.

Sollten auch die Klagen gegen Banken und Versicherungen in New York zurückgewiesen werden, will der Bundestag noch im Januar die Rechtssicherheit offiziell bestätigen. Unterdessen kann die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft eifrig weiter Geld einsammeln. Denn noch immer fehlen 1,6 der zugesagten fünf Milliarden Mark.

„Die gestrige Entscheidung macht es für uns sicher leichter“, betonte Stiftungssprecher Gibowski. Ähnlich hatte sich am Montag der Verhandlungsführer der Stiftungsinitiative, Manfred Gentz, geäußert. „Das Geld steht zur Verfügung, wenn es gebraucht wird.“

Die Zwangsarbeiter würden dies sicher gerne bestätigen. Doch sie werden nicht gefragt.

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