piwik no script img

krieg in palästinaDer Fehler von Vietnam

Es sind keine „Unruhen“. Es sind keine „Zwischenfälle“. Es sind keine „Terroranschläge“, wie man in Israel gerne sagt. Es ist ein Krieg.

Die Palästinenser nennen ihn „die Al-Aksa-Intifada“, aber auch das ist falsch. Es fing zwar an wie die ursprüngliche Intifada, als ein unbewaffneter Volksaufstand. Wieder sah man die Steine werfenden Jungs, die Massendemonstrationen, die Streiks – wie damals.

Kommentarvon URI AVNERY

Aber die Situation ist heute ganz anders als 1987. Denn inzwischen – dank der Intifada – kam das Oslo-Abkommen zustande. Es wird heute von vielen Palästinensern verdammt, aber dank Oslo haben sie mindestens 40.000 bewaffnete Soldaten (offiziell „Polizisten“ genannt) und dazu 100.000 bewaffnete Fatah-Milizen, die in den Städten der palästinensischen Selbstregierung eine mehr oder weniger gesicherte Basis vorfinden.

Dieser bewaffnete Aufstand ist, ganz einfach, der Freiheitskrieg des palästinensischen Volkes gegen die seit 1967 bestehende israelische Besatzung. Leider sind unsere Generäle – und auch die israelische Öffentlichkeit – nicht bereit, dies so klar zu sehen. Es geht ihnen gegen den ideologischen Strich.

Darum muss man sich auf eine Eskalation vorbereiten. Die israelische Armee hat zuerst Scharfschützen, dann Tanks und Hubschrauber eingesetzt. Die Palästinenser haben zuerst Steine und Molotowcocktails benützt, dann mit Gewehren geschossen; jetzt werden Guerillaaktionen verübt. Bis heute sind 180 Palästinenser und 24 Israelis gestorben. Doch ist das nur der Anfang.

Die Palästinenser sind sich einig, dass dieser Krieg bis zum Ende der Besatzung fortgeführt werden muss, dass man diesmal nicht aufhören darf, um wieder sinnlose Verhandlungen zu führen. Die israelischen Generäle glauben, wie ihre Kollegen in Vietnam und Afghanistan, dass das, was nicht mit Gewalt geht, eben mehr Gewalt braucht. Die Regierung zögert, hat Angst vor der Weltöffentlichkeit, aber die Wut der Massen wird sie zwingen, dem Druck des Militärs nachzugeben. So war es in allen Kriegen dieser Art.

Bis wann? Bis genug Opfer gefallen sind und beide Völker den Krieg satt haben. Dann wird man zu der Lösung kommen, die schon seit langem die einzige ist: Ende der Besatzung, die Gründung des Staates Palästina im ganzen Westjordanland und im Gaza-Streifen, Jerusalem als Haupstadt beider Staaten, Abzug der Siedler und Soldaten.

Aber bis dahin wird das Blut fließen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen