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Bundesdrucker wollen nicht passen

Heute wieder Warnstreik in der Kreuzberger Bundesdruckerei. Beschäftgte befürchten die Zerschlagung des Unternehmens durch die geplante Privatisierung. 2.000 Jobs sind gefährdet. Datenschützer haben kein Grundsatzproblem mit dem Verkauf

von RICHARD ROTHER

Sie pusten in Trillerpfeifen, schwenken rote Gewerkschaftsfahnen, verteilen Flugblätter an Passanten. Die Beschäftigten der Bundesdruckerei in der Kreuzberger Oranienstraße sind nicht nur sauer, sondern auch im Warnstreik. Die Aktion wollen sie auch heute fortsetzen. Damit wollen sie „die Zerschlagung der Bundesdruckerei“ verhindern. Das Unternehmen, das Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) meistbietend verkaufen will, ist mit seinen knapp 2.000 Beschäftigten immerhin einer der größten Betriebe des Bezirks.

„Ich bin von Schröder gewaltig enttäuscht“, sagt Lutz Kreisel. Im Betrieb gebe es viele sozialdemokratische Gewerkschafter, so der Betriebsrat. „Die fühlen sich jetzt verraten.“ Dennoch stehen nicht alle Maschinen still. Eine Streikvereinbarung mit der Geschäftsführung regelt, dass auch im Falle eines Ausstands etwa die Hälfte der hoheitlichen Aufträge abgearbeitet wird. Das Kreuzberger Unternehmen druckt unter anderem Pässe, Personalausweise, Fahrerlaubnisse, Banknoten.

Zwischen 2 und 4 Milliarden Mark, so die Schätzungen, könnte Eichel durch den Verkauf einnehmen. Neue Besitzer allerdings könnten nur an einzelnen, lukrativen Teilbereichen interessiert sein, fürchten die Beschäftigten. Einzelne Unternehmensteile sind in der internationalen Konkurrenz aber kaum lebensfähig, so die Belegschaft. Sie fürchtet deshalb um ihre Jobs. Unterstützung gab es gestern vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). „Der Protest der Mitarbeiter findet die volle Unterstützung des Senats.“ Diepgen zeigte sich enttäuscht, dass die Bundesregierung sich bisher nicht bereit erklärt habe, eine Teilung der Bundesdruckerei im Zuge der Privatisierung auszuschließen und den Zuschlag nur Bietern zu erteilen, die das Unternehmen in seiner Gesamtheit weiterführen. „Das finanzielle Wohl der Eigentümer kann nicht das einzige Kriterium wirtschaftlichen Handelns sein.“

Tatsächlich hat der Bundesfinanzminister die Privatisierungspläne der Vorgängerregierung verschärft. Unter Bundeskanzler Kohl sollten nur 49 Prozent der Unternehmensanteile veräußert werden. Im Vordergrund dürften allerdings nicht die Interessen der Beschäftigten, sondern Sicherheitsbedenken gestanden haben. Ein eigenes Unternehmen, zumal eines, das mit hochsensiblen Daten operiert, lässt sich leichter kontrollieren als ein privates, an das der Staat Aufträge vergibt.

Grundsätzliche datenschutzrechtliche Bedenken sieht der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob jedoch nicht. Bereist heute seien die Daten der Bürger nur für den Zeitraum des Druckens in dem Unternehmen, betonte Jacobs Sprecherin Helga Schumacher. Danach würden sie vernichtet. „Wir kontrollieren das penibel.“ Dies sei auch bei einem privaten Unternehmen möglich. Besser wäre es allerdings, wenn entsprechende Gesetze geändert würden, damit auch nach der Privatisierung der Bundes- und nicht nur der Landesdatenschutzbeauftragte das Recht dazu hat. „Sonst verschwindet die parlamentarische Kontrolle durch den Bundestag.“

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