Gedenkkultur für Onkel Herbert

Gestern wurde in Harburg ein Platz nach Herbert Wehner benannt  ■ Von Elke Spanner

Er ist zum Loben hergekommen, nicht zum Schimpfen. Es gilt, das Lebenswerk von Herbert Wehner zu würdigen und nicht, sich an den CDU-Politikern abzuarbeiten, die dieses in den Dreck ziehen wollen. Dafür sind auch die bestimmt einhundert älteren Leute gekommen, Männer und Frauen, die „Onkel Herbert“ jahrzehntelang als Harburger Abgeordneten in den Bundestag gewählt hatten und jetzt noch einmal hören wollen, dass sie damals eine gute Wahl getroffen haben. Nur einen kleinen Seitenhieb gönnt er sich dann doch. Scheinheilig seien diejenigen, entfährt es Bürgermeister Ortwin Runde (SPD), die unter Bezug auf his-torische Verantwortung Wehner wegen dessen kommunistischer Vergangenheit schmähen wollten. Habe nicht gerade der seine Lehren aus der Geschichte gezogen, als er von der KPD zur SPD wechselte?

Stieße man zufällig auf die Menschenmenge, könnte man meinen, dass hier Sonderangebote angepriesen würden. Ein unwirtlicher Platz im Herzen von Harburg, der bisher allein dem Zweck gewidmet war, dem Vorstadt-Konsum etwas Städtisches zu verleihen: Ein Bauklotz mit Schuh-Kay, einer mit Karstadt. Nun soll der Platz die deutsche Gedenkkultur bereichern, mit Straßenschild und Tafel für den 1990 verstorbenen SPD-Politiker.

Die ZuschauerInnen drängeln sich vor Karstadt. An einer Ecke wird die Gedenktafel enthüllt, wenige Zentimeter neben dem Reiseangebot „Dominikanische Republik ab 2430 Mark“. Um dem Festakt Festlichkeit zu verleihen, spielt das Werksorchester der Phoenix-Werke auf. 1977, erinnert Bezirksamtsleiter Bernd Hellriegel , habe Wehner den Harburger Traditionsbetrieb vor der Schließung gerettet.

Die in den vergangenen Tagen noch dagegen polemisiert haben, dass in Harburg nun ein Platz nach Wehner benannt werden sollte, sind nicht zur Ehrung des Hamburger Ehrenbürgers gekommen. Ein Protestplakat soll gesehen worden sein, heißt es später, das aber geht zwischen selbstgestrickten Angoramützen unter. Dafür hat die Hamburger SPD Prominenz aufgefahren. Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit steht vor Karstadt Harburg, Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeld und Staatsrat Peter Strenge. Auch Wehners Witwe Greta ist aus Dresden zu Karstadt-Harburg gekommen, um eine kurze Rede über die Verdienste ihres „Herbert“ zu halten.

Als die Gedenktafel entblößt ist, zieht der Tross wenige Meter weiter zum Straßenschild, das Bürgermeister Runde mit entschlossenem Ruck von der verhüllenden rot-weißen Hamburg-Fahne befreit. Andächtig spricht eine Frau den Namen vor sich hin: „Herbert-Wehner-Platz“. Ein Polizist freut sich für sie: „Ja, wenn Sie mal gefragt werden, wo das ist, dann wissen Sie das jetzt.“