: Fusionieren und abfahren
Nicht überall, wo Him draufsteht, sind auch die finnischen Him drin: Die aus Chicago stammende Postrock-Band Him spielt experimentellen Dub und anderes im Bastard
Gut vorstellbar, dass mancher Fan der finnischen Gothicrocker Him auf der Suche nach alten Platten seiner Lieblinge schon mal ins falsche Fach greift und sich zu Hause wundert, was ihm für Musik aus den Boxen entgegenschallt: Instrumentale Songs, elektronische Sounds, Dub, HipHop-Beats und anderes – alles Mögliche halt, bloß nicht die gewohnten Schmachtlappen.
Das mag ärgerlich sein für unseren unbedarften Him- und „Join Me In Death“-Fan. Doch vielleicht freut er sich auch, einmal anderes zu hören. Vielleicht hat der Fehlgriff sogar Folgen für seine musikalische Sozialisation und er macht sich schlau über die Band, auf die er so unverhofft gestoßen ist.
Also: Es gibt auch in Amerika eine Band mit dem Namen Him, eine Band aus Chicago, die musikalisch auf dem weiten Feld des Postrock anzusiedeln ist. Was für die einen ein unbekanntes Land ist, dürfte anderen gleich ein wissendes Nicken des Kopfes entlocken – ja klar, Chicago, ja klar, Postrock, da gibt’s doch diese Band und jenen Musiker, und überhaupt. Dabei auf Him zu stoßen ist ein Leichtes. Denn der Stammbaum der aktuell und früher bei Him Beteiligten ist weit verzweigt, die Namen der miteinander verbandelten Bands sind Legion. Einzige Konstante ist Drummer Doug Scharin, der die Band 1995/96 in New York gründete. Vorher schon bei den Slo-Motion-Corlern von Codeine aktiv, schien Scharin als Drummer seiner eigentlichen Bands June of 44 und Rex nicht wirklich ausgelastet zu sein.
Dazu kam, dass er in Brooklyn die Bekanntschaft der Betreiber des Word-Sound-Labels machte sich mit diesen beruflich austauschte: Der „Chemical Mix“ auf dem ersten Crooklyn-Dub-Consortium-Album ist von Scharin. Kurz darauf erscheint dann das erste Him-Album „Egg“. Auf diesem fließen die Sounds reichlich unbeschwert, aber voller Dubs durch Zeit und Raum. Eine Zusammenarbeit mit den Ambient-Brüdern von der Dylan Group folgte, zwei weitere Alben wurden veröffentlicht, und schließlich orientierte sich Scharin gen Chicago, wo er anfing mit Musikern von Tortoise, Isotope 217 und dem Chicago Underground Duo zu arbeiten.
Diese waren es wohl auch, die Scharin ein paar ordentliche Jazz-Lektionen hielten. „Sworn Eyes“ und noch mehr das aktuelle Album „Our Point Of Departure“ unterscheiden sich fundamental von den früheren Veröffentlichungen. Da darf man zwar immer noch gern einmal an die Talking Heads und ihre „Remain in Light“-Phase denken, an ein paar Postrock-Freischwinger oder auch an manchen Groove von Santana. Doch vor allem scheint es der Miles Davis der Jahre 1968 bis 1975 zu sein, der die neuesten Sounds von Him beeinflusst. Was Freunde des frühen Siebzigerjahre-Jazz freuen mag, Leute, die bei Fusionsounds im Karree hüpfen, andere aber doch etwas irritieren: Das auf „Our Point Of Departure“ allgegenwärtige Tenorsaxophon von Carlo Cennamo ist schwer gewöhnungsbedürftig, allzu oft überdeckt es den gewohnten und fein austarierten Basissound von Him. Da fühlte man sich zu den Zeiten von „Egg“ und der Dylan Group besser aufgehoben. Trotzdem: Wenn Cennamo in den Linernotes von „Our Point Of Departure schreibt, „It’s all about having a good time“, trifft das auch den Kern der Him-Sache. Wahrscheinlich stimmen dem sogar die nicht konvertierten Fans der finnischen Him zu.
GERRIT BARTELS
Sa, 18.11, 22 Uhr 30, „Bastard“, Kastanienallee 7-9, Prenzlauer Berg
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