: Ein Anlass zum Trauern
Rechter Aufmarsch am Kriegsklotz nahe dem Dammtorbahnhof. Massiver Polizeischutz für Neonazigebinde ■ Von Peter Müller und Andreas Speit
Etwa 80 Neonazis haben gestern Nachmittag am Volkstrauertag unter Polizeischutz am Kriegerdenkmal nahe dem Dammtorbahnhof zum „Heldengedenken“ Kränze für die deutschen Wehrmachtssoldaten niedergelegt. Die Polizei hatte die Umgebung hermetisch abgeriegelt, als der Tross der Rechten vor dem Kriegklotz antrat: „Marsch halt! Blickrichtung zum Ehrenmal – Aufstellung! Fahnen hoch!“ befahl Neonaziführer Thomas Wulff. Rund 300 AntifaschistInnen skandierten derweil an den Barrieren: „Nazis raus.“
Obwohl lediglich eine Kranzniederlegung angekündigt war, entwickelte sich der Aufmarsch zu einer regelrechten Kundgebung. Dabei lobte Wulff die „Heldentaten der Wehrmacht, die viele Siege errungen hat“. Der mehrfach wegen Gewalttaten vorbestrafte Neonazi Peter Borchert ergänzte: „Wir werden sie nie verraten, auch nicht für Wohlstand und Geld. Sie waren die besten Soldaten der Welt.“
Uneinigkeit aber auch bei den Rechten: Der schwelende Streit zwischen den freien Kameradschaften um Wulff und der NPD wurde auch am Denkmal fortgesetzt. Ein eintreffendes NPD-Grüppchen aus Lüneburg wurde von Wulff und Co. barsch empfangen. Anschließend marschierten aber doch alle im Gleichschritt mit.
Die Polizei hatte bis zuletzt den Aufmarsch verharmlost: Noch am Freitagabend beteuerte die Ordnungsmacht gegenüber Journalis-ten, dass es sich gar nicht um einen Neonaziaufmarsch handeln würde, da der Anmelder nicht einschlägig bekannt sei. Tatsächlich hatte aber die Neonazi-Aktivistin Inge Nottelmann die Fäden im Hintergrund für das rechte Aktionsbüro Norddeutschland gesponnen – und gekommen waren die rechten Kader mit Rang und Namen aus Norddeutschland – von Sascha Bothe („Blood & Honour“) bis Thorsten Bärthel (einst „Hamburger Sturm“) und Klemens Otto vom „Pinneberger Sturm“.
Nach Ende des Neonaziaufmarsches zeigte die Polizei dann Flagge: Kaum hatten sich die Rechten per U-Bahn abgesetzt, sicherte ein Großaufgebot Kranz und Klotz. Mehrfach wurden Demonstranten mit Schildern und Schlagstöcken abgedrängt. Es gab mehrere Festnahmen. Wegen der Forderung „Kranz her, Kranz her,“ sahen sich die Einsatzkräfte genötigt, bis in die späten Abendstunden das Neonazigebinde zu sichern und den Kriegsklotz zu schützen, was den Beamten hämische Rufe der GegendemonstrantInnen einbrachte: „Deutsche Polizisten – Gärtner und Floristen.“ Und: „Den Kranz kriegen wir sowieso.“
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