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Emissionshandel im Regenwald

Die Zerstörung Amazoniens schreitet voran. Auf der Klimakonferenz in Den Haag, aber auch in Brasilien wird darüber gestritten, ob Umweltprojekte in den Tropenwäldern gegen Emissionsrechte aufgerechnet werden sollen

aus São Paulo GERHARD DILGER

Der Himmel ist schwarz. Hinter den Rauchschwaden kann man die Sonne nur erahnen. Das von der langen Trockenzeit ausgedörrte Gebüsch brennt wie Zunder. Ein Schleier aus Ruß und Asche hat sich über die Landschaft gelegt. Auf einer schnurgeraden staubigen Piste rasen hochmoderne Sojatransporter gen Norden. An der Straße, die von der Provinzhauptstadt Cuiabá zum Amazonashafen in Santarém führt, kommt einem der Name des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso („Dichter Wald“) wie blanker Hohn vor.

Jedes Jahr im August ist die Katastrophe am südlichen Rand des Amazonasbeckens live zu besichtigen. Ursache ist die bei Kleinsiedlern und Großfarmern beliebte Methode der Brandrodung. In diesem Jahr lag die Anzahl der Brände zwar deutlich unter der des Vorjahres, denn es regnete mehr, und die Behörden haben ihre Kontrollen schon im Vorfeld verstärkt. Aber zur Entwarnung besteht kein Anlass: Durch den Bau von Straßen, Eisenbahnlinien, Gasleitungen, Hafenanlagen und Kraftwerken wird der amazonische Regenwald in den nächsten Jahrzehnten weiter drastisch dezimiert. Bis zu 42 Prozent der in Brasilien noch intakten 3,2 Millionen Quadratkilometer, so das Szenario einer neuen Studie, könnten bis zum Jahr 2020 zerstört werden. Völlig unberührt wären dann nur noch knapp fünf Prozent des Urwalds – heute sind es immerhin noch vier Fünftel. Der vor einem Jahr verabschiedete Plan „Vorwärts Brasilien“ sieht nämlich die zügige Erschließung von Urwaldgebieten entlang so genannter Entwicklungsachsen vor. Bis 2007 sind dafür allein aus Haushaltsmitteln rund 16 Milliarden DM vorgesehen.

Ziel des hoch verschuldeten Landes ist es unter anderem, Exportprodukte wie Soja und Mais wettbewerbsfähiger zu machen. Dabei kommt der Straße Cuiabá–Santarém geradezu strategische Bedeutung zu. Aber auch die Holzwirtschaft verbindet mit der Asphaltierung der noch fehlenden tausend Kilometer große Hoffnungen. Die Straßen sind allerdings auch die wichtigste Ursache für die Entwaldung.

Wie der Amazonas-Urwald durch den Weltklimagipfel von Den Haag geschützt werden könnte, ist in Brasilien höchst umstritten. Die meisten NGOs aus dem Umweltbereich möchten, dass er in den „Clean Development Mechanism“ (CDR, siehe Kasten) aufgenommen wird. Davon versprechen sie sich Gelder für soziale und ökologische Projekte. In der Klimadebatte seien die Tropenwälder das „wichtigste strategische Element“ vieler Länder des Südens. Auch das Umweltministerium hofft auf einen erklecklichen Anteil von den Milliardenbeträgen aus dem CDM. Damit wäre etwa die Fortsetzung des Pilotprogramms zum Schutz der Tropenwälder (PPG-7) gesichert, das bisher maßgeblich von Deutschland finanziert, aber von der Regierung selbst nur halbherzig vorangetrieben wird. Die brasilianische Regierungsdelegation hingegen möchte den CDM auf ökologisch fragwürdige Wiederaufforstungsprojekte und „saubere Energien“ begrenzen. Ihr stärkstes Argument gegen die Einbeziehung der Primärwälder: Die Industrieländer müssten selbst Emissionen vermeiden, anstatt sie trickreich zu verrechnen. Ausschlaggebend ist jedoch, dass sich die Regierung nicht in ihre Amazonas-Politik hineinreden lassen möchte – die „Internationalisierung“ Amazoniens ist ein Schreckgespenst aller national gesinnten BrasilianerInnen, von den Militärs bis hin zu Teilen der Linken. Für andere wiederum lenkt die Fixierung auf den CDM von den wirklichen Gründen der Waldzerstörung ab: „Das Land ist ungerecht verteilt, und viele Indianerterritorien würden in keinster Weise gegen Holzfäller und andere illegale Eindringlinge geschützt“, erklärt Greenpeace Brasilien.

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