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„Integre, rechtstreue und tadellose Arbeit“

■ Prozess gegen fünf Polizisten wegen Misshandlung eines Schwarzafrikaners

Vor dem Hamburger Landgericht müssen sich seit gestern fünf Beamte der berüchtigten Präsenzschicht am Polizeirevier Lerchenstraße wegen Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung erneut verantworten. Den „P-Schicht“-Fahndern Uwe E. (37) und Carsten Sch. (37) wird zur Last gelegt, zusammen mit drei Kollegen in der Nacht des 14. November 1997 den Schwarzafrikaner Alimang S. auf dem Schlachthofgelände an der Lagerstraße geschlagen und getreten zu haben.

Amtsrichter Michael Kaut hatte im Juni vorigen Jahres die seit 1998 vom Dienst suspendierten E. und Sch. zu 15 und 14 Monaten Knast auf Bewährung und die Mittäter zu Geldstrafen von 11.000 und 13.000 Mark verurteilt. Die Berufungsverhandlung findet nun unter veränderten Rahmenbedingungen statt. Denn S., der vorm Amtsgericht durch seine detaillierte und nüchterne Schilderung der Tat überzeugt hatte, ist zurzeit unauffindbar.

Die Angeklagten, die noch in erster Instanz ihre Version schilderten, schweigen. Zudem haben sie sich mit den Anwälten Otmar Kury und Johann Schwenn hochkarätige Verteidiger geholt, die es verstehen, den Fall in neuem Licht erscheinen zu lassen. Dagegen sind Nebenklageanwalt Dieter Magsam „ohne Rückkoppelung zum Mandanten“ die Hände gebunden.

So versuchte die Verteidigung gestern zu Beginn des Prozesses, das Opfer wegen Bagatelleverstößen als Dealer und Lügner darzustellen. „Es ist davon auszugehen, dass er noch als Betäubungsmitteltäter aktiv ist und das der Grund ist, dass er nicht auffindbar ist“, polterte Schwenn. Zudem möchte Kury die Ex-Vorgesetzten hören, die Angaben über die „integre, rechtstreue und tadellose Arbeit“ von E. machen sollen – darunter Ex-Schichtleiter Christoph Stapmanns, gegen den selbst wegen einer rechtswidrig geführten „Negerkartei“ ermittelt wurde.

Das mehrwöchige Verfahren muss – sollte das Opfer nicht noch auftauchen – vor allem auf Aktenbasis geführt werden. So werden die Protokolle der dreitägigen Vernehmung von S. durch Ermitt-lungsrichter verlesen. Im Januar 1998 hatte der damals 18-Jährige den Vorfall dort und in der taz hamburg so geschildert: „Die haben mich zu Boden gestoßen...da hat einer seinen Fuss auf mein Gesicht gestellt. Ich wurde geschlagen und getreten. Damit ich nicht schreien konnte, haben sie mir einen Handschuh in den Mund gestopft.“

Die Speichelspuren am Lederhandschuh hatten Sch. nach einer DNA-Analyse als Mittäter überführt. Prozessentscheidend werden aber Aussagen der Ermittlungsrichter über die Glaubwürdigkeit des Opfers sein. Kai von Appen

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