bse-tests für alle
: Eine neue Variante des alten Zynismus

Gelegentlich reicht eine lange Nacht in Brüssel, um aus Fleisch-Lobbyisten Verbraucherschützer zu machen. Gestern Morgen verblüfften die übermüdeten europäischen Landwirtschaftsminister mit dem Entschluss, demnächst alle Risikorinder auf BSE zu untersuchen, die älter als 30 Monate sind. Eine echte Kehrtwende: Bislang hatten die meisten Minister summarische Schnelltests strikt abgelehnt. Sollten die Erfahrungen positiv ausfallen, werden vom 1. Juli an alle jungen Schlachtrinder getestet.

Kommentarvon DANIELA WEINGÄRTNER

Der europäische Verbraucher hat sich daran gewöhnt, dass mit seinen Ängsten zynisch kalkuliert wird. Nun darf er sich fragen, was die Minister unter positiven Erfahrungen verstehen. Eine geringe BSE-Trefferquote, die das Vertrauen in europäisches Rindfleisch wiederherstellt? Oder lieber viele BSE-Fälle, damit sich zeigt, dass sich die Testserien auch lohnen?

Die Landwirtschaftsminister hätten lieber den fachlichen Rat des Veterinärausschusses berücksichtigen sollen. Dann wüssten sie jetzt schon, wie das Experiment ausgehen wird: Die BSE-Epidemie in Großbritannien hat gezeigt, dass die Tiere durchschnittlich fünf Jahre alt sind, bevor eine Infektion nachweisbar ist, weil Symptome auftreten.

Junge Rinder können also – nach jetzigem Wissensstand – fast nie als Risikotiere erkannt werden. Doch ältere Tiere gibt es kaum. Denn die Rinder werden aus Kosten- und Geschmacksgründen vor dem dreißigsten Lebensmonat zur Schlachtbank geführt. Es bleibt daher nur eine kleine Gruppe, die für die Schnelltests in Frage kommt.

„Ich bin ein altes zähes Rind und trotzdem BSE-frei“ – dies wäre der einzige Slogan, mit dem die Fleischproduzenten versuchen könnten, die Imagekrise ihres Produktes zu überwinden.

Zynisch ist aber nicht nur die Sinnlosigkeit der Tests. Zynisch ist zudem, dass die Verbraucher für diesen irreführenden und verharmlosenden Werbegag auch noch zahlen sollen: Die Landwirte tragen die Kosten der Tests keineswegs allein, wenn es nach den Ministern geht. Die EU soll sich zur Hälfte an den entstehenden Ausgaben beteiligen – also die Steuerzahler.

So lässt sich am Ende nur feststellen, dass die Landwirtschaftsminister und die Fleischindustrie nicht mehr beschlossen haben, als ihren Slogan zu wechseln. Bislang hieß der: Da wir BSE-frei sind, brauchen wir keine Tests. Heute lautet er: Testen wir, was das Zeug hält, dann können wir erfolgreich so tun, als wären wir BSE-frei.