Neue Kultur der Denkmaldebatte

Heute sitzen die Ministerien in sanierten Denkmälern. Erhalt und Nutzung standen nicht immer zur Diskussion, doch die Debatte hat sich gewandelt

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Als vor Jahren die Bagger den Reichstag aushöhlten, die Abrissbirne das Auswärtige Amt der DDR zerstörte und der Palast der Republik zur Sanierung freigegeben wurde, fürchteten Denkmalschützer in Berlin den Anfang von Ende ungeliebter Staatsarchitektur der Nachkriegsmoderne. Mit dem Umzug des Bundes vom Rhein an die Spree und der Suche nach Regierungsbauten als Symbolen der Demokratie standen auch die historischen Bauten und ihre Geschichte auf dem Index. Der einstige Staatsrat als Ministerium? Das ZK-Gebäude als Bundesamt? Der Bendlerblock oder das Goebbelsche Propagandaministerium als Sitz der Ressortchefs? Schwer denkbar.

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer hat sich die Radikalität in der Debatte im Umgang mit „historisch kontaminierten Gebäuden“ für die neue Regierungsnutzung gewandelt. Eine „Denkmalstürmerei gegen DDR-Bauten“ wurde in Grenzen gehalten. Die Transformation einstiger Gebäude aus der Nazizeit zu modernen, funktionsgerechten Ministerien hat sich am Erhalt und der denkmalgerechten Sanierung orientiert – so das Fazit von Florian Mausbach, Chef der Bundesbaudirektion, am Dienstagabend auf einer Podiumsdiskussion zum Thema Denkmalschutz und Regierungsbauten.

Nach Ansicht Mausbachs bedeutete die Entscheidung der Bundesregierung, die neuen Ministerien in bestehenden Altbauten unterzubringen, den Beginn einer Weichenstellung, die die gefährdeten Baudenkmäler sicherte und eine „dialektische“ Auseinandersetzung mit dem Erbe nach sich zog. Die von der Geschichte belasteten Bauten – etwa das heutige Bundesratsgebäude, das Rohwedderhaus oder das Auswärtige Amt – hätten damit eine „Neubewertung“ erfahren.

Dass dies nicht überall gelang, gerade bei den frühen Baumaßnahmen für die Regierung und das Parlament, beklagte Jörg Haspel, Chef des Landesdenkmalamts. Beim Reichstagsumbau durch Sir Norman Foster etwa erinnere so gut wie nichts mehr an die Architektur der 70er-Jahre von Paul Baumgarten. Mit der Entkernung sei diese „historische Schicht“ ausgeräumt worden. Zugleich konnte jedoch durch die Freilegung der historischen Innenarchitektur und den Kuppelaufbau an die Tradition der Vorkriegszeit angeknüpft werden.

Als „schwierige Situation“ beschrieb Haspel auch den Umgang mit Resten der DDR-Gestaltung der 70er-Jahre etwa im einstigen ZK-Gebäude oder dem Rohwedderhaus. Während man bei den „handwerklich und kulturell wertvollen“ Einbauten aus den 50er-Jahren vom Standpunkt der Denkmalpflege aus den Erhalt als notwendig erachtet habe, sei die Bewahrung der „zum Teil unfunktionalen und unästhetischen“ Siebzigerjahre-Schichten nicht zwingend gewesen.

Wolfgang Kil, Architekturkritiker, ließ das nicht ganz gelten: Um die spezifische Symbolik der Gebäude rezipieren zu können, wäre es sinnvoller gewesen, Zeugnisse aus allen Phasen der wechselvollen Geschichte zu erhalten. Zugleich kritisierte Kil, dass durch die aktuellen architektonischen Handschriften etwa beim Umbau des ZK-Gebäudes durch Hans Kollhoff das Haus als „Geschichtsspiegel“ verloren sei. Kil: „Das ZK ist heute ein Kollhoff.“

Dennoch bescheinigte auch Kil der kontroversen Debatte um die Altbauten eine neue Qualität: Aus heutiger Sicht und mit der jetzigen „Kultur in der Denkmaldebatte“ wären Bauten wie der Palast gerettet worden.

Dazu ist erschienen:„Hauptstadt Berlin. Denkmalpflegefür Parlament, Regierung undDiplomatie 1990 bis 2000“.Verlag Bauwesen, 38 DM