: Prenzlberg: Kaum Platz für Start-ups
New-Economy-Firmen finden in Prenzlauer Berg kaum die Büroräume, die sie suchen: solche mit besonderem Ambiente. Die große Nachfrage der Internet-Unternehmen wird zum Verschwinden preiswerter Gewerberäume in dem Szenebezirk führen
von RICHARD ROTHER
Alle reden von der New Economy – nur in Prenzlauer Berg ist wenig Platz für die aufstrebenden Internet-Firmen. Trotz einiger Büroneubauten ist das Angebot an Gewerbeflächen größtenteils dürftig, die neuen Multimedia-Firmen finden in dem Ostberliner In-Bezirk nicht die Locations, die sie suchen. Die meisten neu errichteten Bürohäuser sind ihnen zu einförmig und zu wenig individuell; auf überdimensionierte Gewerbegebiete wie an der Eldenaer Straße haben sie wenig Lust. „Die Multimedia-Firmen suchen Büros nahe an der Kneipenszene. Sie bevorzugen Fabriketagen, ausgebaute Hinterhöfe und umgebaute Wohnhäuser“, sagt Günter Baasner vom Büro für Stadt- und Regionalplanung Baasner, Möller & Langwald.
Der Grund: Die meisten Beschäftigten der Multimedia-Firmen kommen aus der subkulturell anmutenden Szene. Für sie gehört Leben, Arbeiten und Feiern zusammen. Monti Prior, Geschäftsführerin von Pixel4, einem Büro für digitale Kommunikation: „In unserem sanierten Fabrikgebäude in der Christburger Straße fühlen wir uns sehr wohl.“
Gerade die New-Economy-Firmen bräuchten ein spezifisches, innovatives Ambiente, so Baasner. „Manche wollen sich ja regelrecht von etablierten Branchen abgrenzen – auch räumlich.“ Die interessanten Flächen seien allerdings sehr knapp, und sie werden es auch in Zukunft sein. Dabei erwartet der Stadtplaner bis zum Jahr 2010 eine erhebliche Steigerung der Nachfrage. Rund 50 Prozent aller Büros in Gründerzeitvierteln und an besonderen Standorten wir umgebauten ehemalige Brauereien dürften im Jahr 2010 von Internet-Firmen besetzt sein.
Ganz anders sieht es in der sogenannten Ringzone, insbesondere an der Storkower und Eldenaer Straße aus. Auf dem Gelände des ehemaligen Schlacht- und Viehhofes an der Eldenaer Straße soll ein riesiger Dienstleistungskomplex entstehen. Nur interessiert sich kaum jemand dafür. Im Moment sieht es eher hoffnungslos aus, so Baasner. Auch die Struktur der Nachfrage unterscheidet sich wesentlich von der in den Gründerzeitgebieten. Nur wenige New-Economy-Firmen werden sich in solche Großkomplexe wagen, ihr Anteil dürfte kaum über zehn Prozent liegen. Die Konsequenz: „Hier ist ein dauerhaftes Überangebot an Flächen zu erwarten“, so Baasner.
Die Backfabrik (siehe Kasten) nimmt dabei eine Art Zwitterstellung ein. Einerseits ist sie ein Großkomplex, andererseits sind aber die umgebauten und sanierten Fabrikgebäude auf die Bedürfnisse der Internet-Firmen zugeschnitten. Und auch in dem Ambiente dürften sich die Internet-Yuppies wohl fühlen: Schließlich sind nicht nur Einkaufsläden und Bars, sondern auch Massagesalons und Fitnessstudios vorgesehen.
Die große Nachfrage der Internet-Firmen nach Büroflächen in den Gründerzeitgebieten hat allerdings eine Kehrseite. Langfristig sind steigende Gewerbemieten zu erwarten. Allerdings dürften sie im Bürbereich mit rund 25 Mark pro Quadratmeter nicht wesentlich höher als in anderen Bezirken liegen. Weit bedeutsamer ist, dass die große Nachfrage die Vermieter ermuntern wird zu sanieren. Folge: Die sehr günstigen Gewerbeflächen, die es zur Zeit noch gibt, verschwinden. Räume, die insbesondere für Kultur- oder halbkommerzielle Projekte interessant sind. Auch viele Firmenneugründer werden sich keine Mieten leisten können, die Startup-Firmen – oft massenweise mit Risikokapital vollgepumpt – aus der Portokasse zahlen.
Dennoch sieht Stadtplaner Baasner kaum eine Alternative für die wirtschaftliche Entwicklung des Stadtbezirks, als sich auf Start-up-Firmen und Gastronomie zu konzentrieren. Von 34.000 Beschäftigten in Prenzlauer Berg seien gerade mal 1.200 im gewerblichen Bereich tätig. Selbst wenn sich das verdoppele, wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Baasner: „Dann bringen die Prenzlberger eben ihr Auto nach Weißensee oder Friedrichshain in die Reparatur.“
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