: Ganz scharfe Pläne
Innenminister wollen schärferes Demonstrationsrecht. Schily soll Gesetzentwurf vorlegen. Grüne lehnen Pläne ab. Skepsis auch in der SPD
BONN taz ■ Demonstrationen an „historisch oder kulturell bedeutsamen Orten“ sollen nur noch in Ausnahmefällen zulässig sein. Darauf einigten sich die Innenminister der Länder auf ihrer Herbstkonferenz in Bonn. Es gehe darum, „Versammlungen zu verhindern, die gegen Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit gerichtet sind“, begründete der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) den einstimmigen Beschluss. Dazu soll das Versammlungsrecht geändert werden.
Bundesinnenminister Otto Schily begrüßte die Entscheidung seiner Länderkollegen. Nazi-Aufmärsche an Orten wie dem Brandenburger Tor oder vor Gedenkstätten für Opfer des Nationalsozialismus brächten „unsere Selbstachtung in Gefahr“ und schädigten das Ansehen Deutschlands im Ausland. Schily will nun einen Gesetzentwurf zur Änderung des Versammlungsrechts vorbereiten. Allerdings seien dabei „enge verfassungsmäßige Grenzen einzuhalten“. Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin beurteilt den Beschluss der Innenminister skeptisch. Zunächst müsse das geltende Versammlungsrecht ausgeschöpft werden, sagte sie. Auch in der CDU gab es Bedenken. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Schäuble betonte, es gehe um ein wichtiges Grundrecht, mit dem sehr sorgfältig umgegangen werden müsse. Die Grünen lehnen die Einführung „befriedeter Bezirke“ generell ab. Die Abgrenzungskriterien seien zu unbestimmt, sagte ihr rechtspolitischer Sprecher Volker Beck. Innenexperte Cem Özdemir erklärte, die Entscheidung werde die Neonazis nicht beeindrucken, „aber die Bürgerechte aller schwächen.“
Die Innenministerkonferenz beschloss darüber hinaus die Einrichtung einer Datei „Gewalttäter rechts“. Sie soll die Möglichkeiten der Polizei verbessern, gegen bekannte und straffällig gewordene Rechtsextremisten „präventiv und repressiv vorzugehen“. Nach Auskunft des bayrischen Innenministers Günter Beckstein sollen zwei weitere bundesweite Dateien geschaffen werden: „Gewalttäter links“ und „Straftäter politisch motivierter Ausländerkriminalität“. Damit solle dem Problem begegnet werden, dass sich „beide Extreme hochschaukeln“.
Zu den vierzig Tagesordnungspunkten der zweitägigen Konferenz gehörten auch Regelungen für Flüchtlinge aus Bosnien und dem Kosovo. Die Innenminister einigten sich darauf, dass schwer traumatisierten Flüchtlingen aus Bosnien – und ihren Familienangehörigen – eine Aufenthaltsbefugnis in der Bundesrepublik gewährt werden soll, allerdings vorerst für zwei Jahre mit einer Verlängerungsoption. PASCAL BEUCKER
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