Ärger bei der grünen Spätzle-Mafia

Der grüne Parteivorstand rügt Fraktionschef Rezzo Schlauch für dessen Billiglohnvorschlag. Zum ersten Mal gerät der Vorsitzende Fritz Kuhn mit seinem alten Freund aus Stuttgarter Tagen aneinander. Kuhn: „Ich teile den Vorstoß nicht“

BERLIN taz ■ Die Führung der Grünen lehnt den umstrittenen Tarifvorschlag von Fraktionschef Rezzo Schlauch ab. Der Bundesvorstand werde sich heute von der Forderung nach untertariflicher Bezahlung in existenzbedrohten Unternehmen distanzieren, bestätigte der Parteivorsitzende Fritz Kuhn. „Ich teile den Vorstoß nicht“, sagte Kuhn. „Gehaltsfragen müssen Angelegenheit der Tarifparteien bleiben.“ Bereits am Freitag hatten 138 grüne Funktionäre des linken Parteiflügels, unter ihnen mehrere Bundestagsabgeordnete, Schlauchs Angriff auf die Tarifautonomie als „strategische Dummheit“ kritisiert.

Für besondere Aufregung sorgt die offizielle Rüge des Grünen-Vorstandes deshalb, weil der neue Parteivorsitzende Kuhn damit zum ersten Mal öffentlich auf Distanz zu seinem Freund Schlauch geht.

Die beiden gehören nicht nur dem Realo-Lager an, sondern auch der „Spätzle-Mafia“ der Grünen. Schlauch kommt ebenso wie Kuhn aus dem baden-württembergischen Landesverband. Das Verhältnis zwischen Grünen-Chef und Fraktionsvorsitzendem ist seit einigen Wochen ohnehin gespannnt. Die Angriffslust der neuen Parteivorsitzenden Fritz Kuhn und Renate Künast gegenüber der SPD engt den Spielraum der Bundestagsfraktion ein. Schlauch und andere Fraktionsmitglieder haben insbesondere die Unterstützung Kuhns für die angeschlagene Gesundheitsministerin Andrea Fischer argwöhnisch beäugt. Kuhn wolle gleichzeitig den Partei- und Fraktionsvorsitzenden spielen, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Vor diesem Hintergrund beobachten Schlauchs Anhänger die öffentliche Rüge mit Argwohn. Eine nochmalige, formale Distanzierung sei eigentlich nicht notwendig.

Bereits in der vergangenen Woche hatte die Parteiführung den umstrittenen Tarifvorschlag des Fraktionsvorsitzenden kritisiert. Schlauch selber wollte sich gestern dazu nicht äußern.

Es gilt als ausgeschlossen, dass Schlauch auch nur Teile seines Vorschlages zurücknimmt. Allerdings dürfte er in der heutigen Fraktionssitzung einräumen, den Tarifvorschlag, der schon ein halbes Jahr alt ist, zu einem taktisch ungünstigen Zeitpunkt in die Öffentlichkeit lanciert zu haben. Selbst Realos in der Fraktion werfen Schlauch eine Fehleinschätzung vor. Man könne nicht um die Zustimmung der Gewerkschaften für die Rentenreform werben und sie zur gleichen Zeit an anderer Front angreifen.

Für die Sitzung der Bundestagsfraktion wird deswegen mit heftigen Auseinandersetzungen über Schlauchs Vorstoß gerechnet. Die Parteilinke verlangt eine „eine deutliche Klarstellung“. Kerstin Müller, die linke Vorsitzende der Fraktion, betonte gegenüber der taz, dass allerdings keinerlei Beschluss gefasst werden solle. Auch der Bundestagsabgeordnete Christian Simmert, maßgeblich am Zustandekommen des Anti-Schlauch-Papiers beteiligt, sagte der taz, dass es den Kritikern nicht um eine Demontage des Fraktionsvorsitzenden gehe, sondern um eine grüne Linie der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften.

Der Spiegel hatte gemutmaßt, bei einer fraktionsinternen Kampfabstimmung bliebe Schlauch nur, seinen Vorschlag zurückziehen – oder den Fraktionsvorsitz niederzulegen. Plötzlich funktionierte die „Spätzle-Mafia“ wieder. Fritz Kuhn sprang für seinen Freund in die Bresche. Der Bericht sei „albern“, sagte er. „Rezzo Schlauch sitzt absolut fest im Sattel.“ JENS KÖNIG